Toledo, Stann Creek, Cayo – El Petén, Izabal, Zacapa, Baja Verapaz, Alto Verapaz, Quichě, Sololá, Sacatéquez
01. Juni bis 30. Juni 2024
Es regnet im Sun Creek. Es sind nicht bloss ein paar schüchterne Tropfen, die da aus den dunklen Wolken fallen, sondern richtiger Regen. Das T-Shirt, das zum Trocknen an der Leine hängt, ist auf jeden Fall umgehen wieder tropfnass. Auf das haben die Einwohner schon seit 2 Monaten gewartet. Sie hätten gerne noch mehr. Die Pflanzen brauchen den Regen dringend. Und hoffentlich löst der Regen die vielen Waldbrände. Obwohl wir natürlich lieber bei Sonnenschein reisen, ist das Nass von oben auch für uns eine Wohltat. Es wäscht den Rauch aus der Luft und senkt die hohe Temperatur um einige Grad, zumindest vorübergehend.
Für Marisa und Thomas hoffen wir, dass es bald noch mehr regnet und ihre Wohlfühloase im Dschungel wieder grünt. Etwas wehmütig nehmen wir Abschied und ziehen weiter.
Im südlichsten Zipfel von Belize, dem Toledo Distrikt, leben viele indigene Maya Familien. Bevor wir die Gegend verlassen, erhalten wir die Gelegenheit, eine Maya-Familie zu besuchen.
Cecilia lädt uns in ihr Haus ein und stellt uns ihre Familie vor; ihre Mutter, ihr behinderter Bruder und ihre Tochter mit Kind. Auch ihre Schwester mit Familie aus dem Nachbarhaus ist anwesend. Das Maya Haus ist sehr einfach gebaut und eingerichtet. Ein einziger, grosser Raum mit Wänden aus horizontalen Holzbrettern, das Dach mit Palmblättern bedeckt, ein gestampfter Lehmboden. An den Pfählen, die Wand und Dach halten, sind Hängematten quer durch den Raum gespannt in denen Bewohner und Besucher es sich bequem machen. Am Nägeln in den Holzbohlen hängen Plastiktüten mit Kleidern und anderem. Hühner laufen quer durch den Raum und gackern laut, wenn die verspielten Katzenbabys versuchen mit ihnen zu spielen.
Auf einer Seite des Raums brennt bereits ein Feuer im Herd und Wasser kocht in einer Pfanne. Cecilia’s Mutter gibt die Beigaben für die Hühnersuppe dazu. Für das traditionelle Mittagessen gilt es noch die Tortillas zuzubereiten. Marcel versucht sich nach Anleitung damit. Den Teigklumpen auf einem Stück Plastik flach drücken und dann unter Drehbewegung immer dünner und runder werden lassen. Kommt gar nicht schlecht. Nach etwas Nacharbeit durch die Oma kann sie auf das heisse Blech zum braten. Dass die beiden Frauen in der gleichen Zeit je mindestens 4 Tortillas flachgedreht haben, sei nur am Rande erwähnt.
Während die Suppe langsam kocht, wäscht die Abuela die Wäsche und legt sie zum Trocknen auf grosse Steine an die Sonne. Cecilia führt uns in die kunstvolle Handarbeit der Mayafrauen ein, dem Flechten von Körben und Untersetzer aus Palmblättern. Wie wir bald erfahren, ist es mehr ein Nähen als ein Flechten. Zuerst aber müssen wir den Grundstoff herstellen. Sie zeigt uns, wie aus einem noch nicht geöffnetem Blatt die grünen Ränder entfernt werden. Daraus entstehen die weissen Litzen. Auch aus dem grünen, geöffnetem Blatt werden die rauen Rippen entfernt. Die verbleibenden Fasern werden für 2 Wochen zum Trocknen aufgehängt. Mit viel Geduld zupft und zerrt Marcel die beiden Blätter zurecht. Cecilia knotet mit flinken Händen ein kleines Bündel der braunen Fasern und umgarnt dieses mit einer weissen Faser auf einer langen Nadel. Langsam wird es zu einer Schnecke aufgerollt und genäht. Marcel übernimmt und näht fleissig weiter. Nur wenn neue Fasern zugefügt werden, muss die Mayafrau eingreifen.
Handarbeit macht hungrig und so gibt es schon bald die Suppe mit Huhn und die Tortillas zum Mittagessen.
2015 haben wir Hopkins als kleines, authentisches Kulturdorf kennengelernt, das Besuchern gegenüber herzlich und einladend ist. Es gibt hier einen grossen Anteil an grossgewachsenen, rabenschwarzen Garifuna-Siedlern, einer Vereinigung ehemaliger Sklaven aus Westafrika und indigenen Kariben, die ihre kulturellen Traditionen wie das Trommeln bewahrt haben.
Doch das Garifuna-Dorf hat viel von seinem Charme verloren. Die staubigen Hauptwege durch den Ort sind geteerten Strassen gewichen, viele Bretterbuden wurden durch gemauerte Häuser ersetzt. Schon eher typisch scheint, dass sich niemand an den signalisierten Einbahnverkehr durch das Dorf hält. Vermutlich wegen der andauernden Hitze, oder saisonal bedingt, auf jeden Fall sind nur ein paar Touristen auf der Hauptstrasse anzutreffen. Hier und da schallt laute Musik aus einem Lautsprecher, von Garifuna Trommeln ist nichts zu hören. Nach einem erfrischenden Bier schlendern wir durch die Strassen, nur um sicher zu sein, dass wir nichts übersehen haben. An Strand von „Nice Cream“ geniessen wir eine Ice Cream in den Beachstühlen. Das war’s.
Belize ist etwa halb so gross wie die Schweiz, hat aber nur 450’000 Einwohner. So bleibt viel Platz für Wald, Urwald. Riesigen Palmen ragen weit in den Himmel. Noch grössere Laubbäume mit weiten Ästen voller Epiphyten übertrumpfen sie um Längen. Ihre Stämme werden umgarnt von Kletterpflanzen, wie sie in Europa in unseren Stuben ranken, nur sind diese hier um ein Vielfaches grösser. Wir wandern Mayflower Bocawina National Park im Schatten der Baumriesen. Breite Strassen von fleissigen Blattschneiderameisen kreuzen unseren Weg. Es scheint gerade Rush Hour. Unzählige Blattstückchen werden zu einem entfernten Nest befördert. Einmal mehr hören wir nur wenige Vögel. Wahrscheinlich ist es ihnen schon wieder zu heiss. Wir erreichen den Antelope Wasserfall, wo trotz Trockenheit einiges an Wasser über die Felsen fällt.
Wir sind noch nicht am Ziel. Oben am Fall soll es eine schöne Aussicht und natürliche Pools zum Schwimmen geben. Steil geht es durch den Urwald hoch. Die Ranger haben entlang des Pfads Seile gespannt, an denen wir uns schwitzend hochhangeln. Die Pools sind eher klein, reichen aber aus, um sich nach dem schweisstreibenden Aufstieg zu erfrischen. Der Ausblick weit über die Baumkronen bis hin zum Meer ist hingegen phänomenal. Der Regen von gestern Abend hat den Rauch weitgehend aus der Luft gewaschen und wir geniessen eine klare Sicht. Lange sitzen wir auf einem Fels und geniessen die wunderschöne Natur. Noch verschwenden wir keinen Gedanke an den unvermeidlichen Abstieg.
Wer kennt sie nicht, die feurig scharfe Tabasco Sauce. Belize hat seine eigene: Mary Sharps. 1980 begann Marie, Rezepte mit den edlen belizischen roten Habanero-Paprikaschoten zu kreieren, die in ihrem Garten angebaut wurden. Diese Rezepte wurden bei ihrer Familie und ihren Freunden sofort ein Erfolg. Marie ist eine der wahren Pionierinnen in der Pfeffersaucenindustrie. Heute steht Mary Sharps Pfeffersauce nicht nur auf jedem Restaurants Tisch hier in Belize, sondern ist weit über die Grenzen hinaus bekannt. Wir lassen uns bei einer Tour so einiges erklären und zeigen und staunen ob der hohen Hygienestandards der modernen Abfüllanlage. Danach geht es zum Testing. Bereit stehen Saucen mit diversen Schärfegraden von der milden bis zu teuflisch scharfen. Aber auch verschiedenste Geschmacksrichtungen wie Ananas, Kokosnuss oder Knoblauch. Scharf ist nicht aber nicht unsere Spezialität und so vertiefen wir uns lieber ins Probieren von Konfitüren, die ebenfalls im Sortiment von Marie Sharps stehen. Hier werden wir schnell fündig.
Belize ist vor allem auch bekannt durch sein Barrier Riff, das zweitgrösste der Welt. Und mitten in Riff liegt das «Blue Hole», das 124 m tiefe Loch im Meer, das von Jacques Custeau zu einem der fünf besten Tauchspots der Welt erklärt wurde. Für uns Nicht-Taucher gibt es auch im Landesinneren ein «Blue Hole». Die offene Cenote ladet zum Bade. Kurz bevor der Park schliesst, schaffen wir es noch, ins angenehm kühle Wasser zu springen.
Über die Iguana Creek Brücke fahren wir nach Spanish Lookout, das inmitten einer geräumten Dschungelfläche liegt. Vieles erscheint einem hier wie eine ländliche Bauernstadt im Mittleren Westen der USA. Hoch aufragende Getreidesilos, Obstgärten, gepflegten Rasenflächen und zweistöckigen Bauernhäusern, die von der Strasse zurückgesetzt sind. Zufriedene Schafe und Rinder grasen auf dem Ackerland neben modernen Geschäften. Kaum zu glauben, aber Spanish Lookout ist eine Mennonitenstadt. Vor vielen Jahren sind sie über Umwege aus Deutschland und Holland eingereist. Noch heute sprechen sie untereinander «Plautdietsch». Wie die Amischen verwenden die Mennoniten altmodische landwirtschaftliche Techniken und tragen traditionelle Kleidung.
Vor neun Jahren fuhren wir hier über staubige Strassen. Damals spielten vor den Mennoniten Häusern Knaben in Latzhosen und Mädchen mit Hauben und langen Röcken. Auf der Strasse überholten wir Pferdekutschen mit den typischen schwarzen, gedeckten Wagen. Heute stehen glänzende, metallische Kutschen mit dreistelligen Pferdestärken vor den Türen. Die Strassen sind geteert. Pferdekutschen sehen wir keine mehr. Im gut assortierten Farmers Trading Center erhalten wir sogar einen neuen Gardena-Adapter. Willkommen in der modernen Welt.
Das Mountain Pine Ridge Forest Reserve bietet eine erfrischende Abwechslung zu den heisseren Nachbargebieten im Tiefland. Überraschenderweise wird das riesige Naturreservat von Kiefern dominiert und stellt damit einen starken Kontrast zum Rest des tropischen Landes. In einer versteckten Waldlichtung mit gerodetem Unterholz liegt der San Miguel Campground, der die nächsten Tage unsere Basis für Ausflüge im Naturpark bildet. Für ein erholsames Bad brauchen wir nicht weit zu gehen. Eine steile Holz- und Steintreppe führt hinunter zum Fuss des 45 m hohen Big Rock Wasserfall. Auf dem Rücken liegend schweben wir im grossen Becken umrahmt von steilen Felsen mit üppigen Grün.
Etwas tiefer in den Hügeln versteckt liegt Rio on Pools. Wie der Name nahelegt, stürzen zahlreiche kleine Wasserfälle in miteinander verbundene Becken, die der Fluss aus Granitblöcken abgeschliffen hat. Die Pools haben alle unterschiedliche Grössen und laden zum Bade. Einige kleinere sind jetzt, vor Beginn der Regenzeit, leider ausgetrocknet. Aber die Auswahl ist immer noch ausreichend. Am Abend sind Wolken aufgezogen und haben sich bald bedrohlich verdunkelt. Der von der Natur sehnlichst erwartete Regen blieb aber aus. Nur ein entferntes Wetterleuchten war zu sehen.
Unser heutiger Ausflug gilt dem 1’000 Fuss Wasserfall führen, der eigentlich beachtliche 1’600 Fuss = 480 m hoch sein soll. Trotz Trockenheit und Hitzewelle soll ausreichend Wasser über die Felsen fallen. Die staubige Naturstrasse führt durch den Pinienwald, wird schmaler und steiler, ist aber problemlos zu fahren. Als sich der Himmel rasch verdunkelt, wird es uns ungemütlich und wir drehen vor dem Ziel um. Zu tief steckt uns der Schreck unserer Rutschpartie im Escalante National Monument vom Mai letzten Jahres noch zu tief in den Knochen.
In der Green Hill Butterfly Ranch werden wir durch das Schmetterlingsgehege geführt. Mit viel Sachkenntnis erklärt und zeigt uns Georg an lebendigen Beispielen die Metamorphose der Schmetterlinge, von den winzigen Eiern über die Raupen und Puppen bis zu den bunten Sommervögeln. Einfach immer wieder erstaunlich und wissenschaftlich noch immer nicht vollständig erklärbar. In einem separaten Haus werden die Eier gehegt und die Raupen gefüttert, bis sie sich verpuppen. Interessant ist, dass die Raupe beim Verpuppen die Haut und den Kopf abstreift. Darunter erscheint, wie ein Skelett die Puppe, die nur mit Flüssigkeit gefüllt ist. In diesem Zustand benötigt sie keine Luft zum atmen und ist unempfindlich gegen Luftdruckunterschiede. Der ideale Zeitpunkt um sie sorgfältig zu verpacken und im Flugzeug an Schmetterlingshäuser in entfernte Länder zu senden. Dort schlüpfen sie und erfreuen die Besucher mit ihren Farben und Formen.
Schon bei der Einfahrt haben wir sie schwirren gesehen. Nein, nicht die Schmetterlinge, sondern ganze Schwärme von Kolibris kämpfen um einen Platz an der Hummingbird Bar. Lange schauen wir ihnen zu. Verschiedene Arten sind hier zu sehen. Einige sitzen dichtgedrängt friedlich an der Fütterungsstation, andere vertreiben die Konkurrenten, um lieber allein ihren Drink zu geniessen.
Leguane sind faszinierende Lebewesen, die in vielen Teilen von Belize zu finden sind. Es sind grosse, grüne Echsen mit einem langen Schwanz, einem Stachelkamm auf dem Rücken und einer Hautfalte unter dem Kinn, die Wamme genannt wird. Uns erinnern sie immer an kleine Dinosaurier.
Grüne Leguane sind Pflanzenfresser, das heisst, sie ernähren sich hauptsächlich von Pflanzen wie Blättern, Blüten und Früchten. Als solche helfen sie bei der Verbreitung von Samen und der Bestäuben von Blumen und tragen so zur Artenvielfalt und Gesundheit der Wälder bei. Sie bieten auch Nahrung und Einkommen für einige Menschen, die sie wegen ihres Fleisches und ihrer Eier jagen oder sie auf Farmen züchten. Leguane gelten in Belize als Delikatesse und werden oft in Suppen oder Eintöpfen gekocht, Bamboo Chicken genannt. Leguane sind in Belize vielen Bedrohungen ausgesetzt. Nicht nur werden sie von Tieren wie Falken, Schlangen, Hunden und Katzen gejagt, auch menschliche Aktivitäten setzen ihnen zu durch Lebensraumverlust, Abholzung, Landwirtschaft und Wilderei. Darüber hinaus müssen Leguane mit einer invasiven Art namens Schwarzer Stachelschwanzleguan konkurrieren, die aggressiver und anpassungsfähiger sind als der einheimische Grüne Leguan.
Glücklicherweise gibt es einige Bemühungen zum Schutz und Erhalt der Leguane von Belize, wie beispielsweise das Green Iguana Conservation Project in San Ignacio. Im Rahmen des Projekts werden gefährdete Eier in freier Wildbahn gesammelt und in der Einrichtung ausgebrütet. Die Jungtiere werden dann zwei Jahre lang aufgezogen und in geschützte Gebiete entlassen, bevor sie die Geschlechtsreife erreichen.
Während ein Guide uns das alles erklärt, tönt aus dem nahen Dschungel ein Frosch. Dies sei ein Tukan, erklärt er uns. Von weitem sehen wir tatsächlich einen durch die Bäume fliegen. Nach einem Rundgang zum Flussufer kommen wir noch einmal an der Stelle vorbei und rufen den Tukan mit der Vogel App Merlin. Es dauert nicht lange und gleich zwei Exemplare kommen uns begutachten.
Schon lange keine Maya Ruine mehr besucht? Dem kann abgeholfen werden: Nahe an der Grenze zu Guatemala liegt Xunantunich, unser nächstes Ziel. Auf dem Weg dahin gilt es den Mopan auf der handbetriebenen Fähre Succotz zu überqueren. Dem Fährmann scheint Rocky leider zu gross. Er muss am Strassenrand stehen bleiben, während wir den Hügel hoch zur Ausgrabungsstätte laufen. Es wird hier noch fleissig gegraben. Auf der künstlich geschaffenen Ebene sind mehrere Gebäude angeordnet, das höchste davon wird El Castillo genannt. Die östliche und westliche Flanke der sehenswerten Pyramide weisen grosse Friese mit geschnitzten Elementen auf, die astronomische Symbole, den Sonnengott, den Mond und die Venus darstellen. Der Westfries wurde 1993 ausgegraben. Um den ursprünglichen Stuckfries zu erhalten, wurde 1996 eine Glasfasernachbildung angefertigt. Der ursprüngliche Fries bleibt etwa einen Meter hinter der Nachbildung vergraben und konserviert.
Wir erklimmen El Castillo bis ganz nach oben. Die schmalen, steilen Treppen auf der Rückseite sind nichts für schwache Nerven und haben keine Handläufe. Die 360° Aussicht bis über die Grenze belohnt die Strapazen, obwohl die Fernsicht durch den Rauch der Wildfeuer eingeschränkt ist.
Ein letztes Wochenende wollen wir noch in Belize verbringen. Nach einer unglaublich holprigen Fahrt in den Urwald, werden wir von Laurie und Bill sehr herzlich auf Parrots Peak empfangen. Die beiden US-Amerikaner haben sich hier, weitab der Zivilisation, ein kleines Paradies erschaffen, das sie gerne mit Overlandern teilen. Doch dieses Paradies wurde in den letzten Wochen von den Waldbränden akut bedroht, die bis wenige Meter an ihre Gebäude herannahten. Mit mehreren Schläuchen mussten sie ihr Gut fast rund um Uhr gegen die Naturgewalt verteidigen. Im Moment ist das Feuer in der näheren Umgebung aus, aber noch immer steigen in der Ferne Rauchfahnen aus dem Wald und der Geruch steht deutlich in der Luft. Wir dürfen uns erst mal in ihrem herrlichen Pool abkühlen und auf der Wasserhängematte entspannen. Ein gemütlicher Abend endet bei Schwätzchen am Wasser.
In der Nacht regnet es. Am Morgen begrüssen uns Laurie und Bill überglücklich. Nicht nur sind wir ihre ersten Gäste seit langem, wir haben ihnen auch den ersehnten Regen gebracht der die Reste der Wildfeuer gelöscht haben dürfte. Vor allem auch die Luft ist spürbar sauberer, die Sicht besser. Sogar die Papageien, die sich vor dem Feuer in Sicherheit gebracht haben, fliegen sporadisch wieder vorbei. Wir entscheiden uns spontan, noch einen weiteren Tag in der friedlichen Umgebung und in liebevoller Gesellschaft zu geniessen. Am Abend lädt uns Laurie zu einen vorzüglichen Nachtessen ein. Bis tief in die Nacht sitzen wir am Pool zusammen und tauschen unsere Erfahrungen aus. Fast hätten wir es vergessen: Marcel wollte Laurie doch zeigen, wie man Kraniche faltet.
GUATEMALA
Der Grenzübergang von Belize nach Guatemala geht reibungslos. Ein paar Stempel hier, ein paar Quezales dort. Zum Glück haben wir noch guatemaltekische Währung vom letzten Besuch im Land. So haben auch die vielen Geldwechsler keine Chance, uns übers Ohr zu hauen. Keiner will ins Fahrzeug schauen. Vergebens haben wir den Kühlschrank leer gegessen. In weniger als einer Stunde sind wir durch.
Die Strasse in Guatemala ist sehr kurvenreich, aber grundsätzlich nicht schlecht. Tumulos, so heissen hier die geschwindigkeitsreduzierenden Schwellen, gibt es wenige. Dafür erscheint immer mal wieder unverhofft ein tiefes Schlagloch. Höchste Konzentration ist erforderlich. Manchmal hilft da nur Ausweichen auf die andere Strassenseite. Entsprechend langsam kommen wir voran. Nach der kurzen letzten Nacht und der anstrengenden Fahrt erreichen wir müde den Campingplatz in Tikal.
Es wetterleuchtet und ferner Donner grollt, als wir frühmorgens erwachen. Ein Orupendula kippt beim Singen vom Ast (macht er immer so). Zikaden zirpen. Howler Monkeys, Brüllaffen, erzählen sich lautstark die neuesten Nachrichten. Ein kühles Lüftchen weht durch unser Casita. Dann wird es still. Von Ferne tönt es, als ob ein Zug anrollt. Und schon prasselt es los. Schwere Tropfen ergiessen sich über den Dschungel und prasseln heftig auf Rocky’s Dach. Na ja, es ist Regenzeit in Zentralamerika, auch wenn sie sich dieses Jahr hier und dort verspätet hat. Aber es hält nicht lange an. Schon beginnt das morgendliche Vogelkonzert von neuem.
Schon bald lockt uns – ausnahmsweise – der Wecker aus den Federn. Ein kurzes Frühstück und schon geht es los. Bereits um 6 Uhr wandern wir durch schönsten Urwald hinein in die archäologische Stätte von Tikal, mit ihren bemerkenswerten Stufentempeln. Grosse Schwärme von Papageien krächzen über unseren Köpfen. Noch sind nur wenige Besucher in der grössten Ausgrabungsstätte Amerikas. Wir haben die Great Plaza fast für uns und besteigen in Ruhe den Templo Numero II. Wie schon in Belize gibt es auch hier auf der Rückseite der Tempel Treppen, sodass man diese besteigen kann, ohne andern Touristen das Bild zu stören. Von oben ergibt sich eine umfängliche Sicht auf den großartigen Templo No I und die Acrópolis del Norte. Nicht bloss der Blick in die Ferne ist einmal mehr eindrücklich, auch die noch gut sichtbaren steinernen Masken am Tempelkopf hinter uns sind es.
Vor dem Abstieg von der Pyramide sehen wir sie. Auf Augenhöhe sind die Howler Monkeys im Blätterdach am Frühstücken. Ein paar Bäume weiter hangeln sich Spider Monkeys gekonnt durchs Geäst. Wieder auf festem Boden laufen wir weiter durch den Urwald mit Bäumen, die bis in den Himmel ragen und Palmen mit riesigen Blättern. Vorbei am Jaguar Tempel geht’s zum Templo No IV. Auch der kann bestiegen werden, diesmal bis hoch über das Blätterdach. Es erwartet uns eine Sicht über den Dschungel soweit das Auge sehen kann. Stolz ragen die Spitzen der höchsten Tikal Pyramiden aus dem Grün hervor. Ganze sechs Stunden zieht uns die faszinierende Maya Stätte in ihren Bann, dann haben wir auch den letzten Tempel gefunden. Alle erzählen sie uns Geschichten von längst vergangenen Zeiten, ist doch das jüngste der Gebäude etwa 900 n. Chr. erbaut worden. Zwischen den präkolumbischen Bauten führt der Pfad immer wieder durch dichten Regenwald, wo wir Tukanen, verschiedenen Spechten, Agutis und Nasenbären begegnen.
Flores ist eine kleine Insel im Petén-Itzá-See, die durch einen 500 m langen Damm mit seiner Zwillingsstadt Santa Elena auf dem Festland verbunden ist. Seine pastellfarbenen Häuser, die sich von der zentralen Plaza zum Lago de Petén Itzá hinabziehen, verleihen der Inselstadt Flores ein venezianisches oder mediterranes Flair. Das Städtchen ist klein und es gibt nur wenige wirkliche Sehenswürdigkeiten auf der Insel. Trotzdem ist es ein angenehmer Ort, um einfach spazieren zu gehen, die vielfarbigen Häuser zu bewundern und in einem der vielen Restaurants einen Drink zu nehmen und dem Treiben auf den See zuzusehen.
Am See liegt das Wildtierrettungszentrums ARCAS. Die Organisation behandelt und rehabilitiert Wildtiere, die Schmuggler im Maya-Biosphärenreservat abgenommen wurden. Seit 1990 hat ARCAS jährlich zwischen 300 und 600 gefährdete Tiere von mehr als 40 verschiedenen Arten gerettet. Unsere Reisefreunde Manuela und Fabian leisten hier einen einwöchigen Freiwilligeneinsatz. Wir fahren mit einer Lancha über den See zum Zentrum und besuchen dort die Tiere, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in die Wildnis entlassen werden können. Neben unzähligen Papageien, ein paar Falken und anderen Vögeln, verbringen auch Klammeraffen, Krokodile und Raubtiere ihren Lebensabend gepflegt hinter Gittern.
Nach dem die beiden Interims Tierpfleger ihre Schicht beendet haben, fahren wir mit dem Boot zurück nach Flores und geniessen zusammen ein feines Nachtessen beim Italiener.
200 km recht gute, aber kurvenreiche Strasse bringen uns in 5 Stunden nach Rio Dulce. Vielen LKWs beladen mit Kühen sind wir begegnet, denn wir sind durch das Rinderzuchtgebiet Guatemalas gefahren. Ob die europäischen Tierschutzorganisationen mit der Transportart einverstanden wären, ist eher fraglich.
Neben dem Bootshafen, in dem einige ausländische Jachten vor der herannahenden Hurrikan Saison Schutz suchen, bietet die Mar Marina in Rio Dulce auch einen Parkplatz für Camper. Sogar ein Pool steht uns zu Verfügung, was bei der immer noch herrschenden Hitze nicht verkehrt ist. Wir haben uns hier mit Manuela und Fabian verabredet, um gemeinsam auf dem Río Dulce nach Livingston zu schippern.
Mit der Lancha tuckern wir erst an Bäumen voll mit Kuhreihern und Kormoranen vorbei in den Wasserblumengarten. Lotusblumen und Seerosen in weiss, rosa und gelb schweben im Garten und schaffen eine einzigartige und wunderschöne Landschaft. Dazwischen immer wieder Wasservögel. Die Bäume hängen voller Epiphyten.
Weiter geht es auf der sogenannte Golfete, mit etwa 200 m der breiteste Teil des Flusses. Die Ufer sind mit prächtigen Villen und Bootshäusern bestückt. Viele Amis und Kanadier haben sich hier im Hurrikan sicheren Gebiet ein Stück Paradies ergattert. Unmittelbar danach beginnt der Canyon. Hier wird der Fluss schmaler. Die seitlichen Kalksteinfelsen mit üppigem tropischem Regenwald sind bis zu 150 m hoch. Die Villen der Ausländer sind den einfachen Hütten von Maya Gemeinschaften gewichen. Grüne, feuchte Natur umgibt uns auf dem restlichen Weg nach Livingston.
Die Garifuna Stadt Livingston weiss uns nicht wirklich zu begeistern. Abgelegen an der Mündung des Karibischen Meeres, ist sie nur auf dem Wasserweg zu erreichen. Trotzdem herrscht in den schmalen Strassen so reger Verkehr an Tuk Tuks, Motorrädern und Kleinstlastwagen, dass an jeder Kreuzung ein Verkehrspolizist den Touristen über die Strasse helfen muss. Ein Spaziergang durchs Städtchen, eine erfrischende Limonade, um den Durst zu löschen, und schon geht’s wieder zurück auf unser Boot. Das Mittagessen nehmen wir lieber in einem Restaurant unterwegs am Fluss ein.
Während der rasanten Fahrt auf der seeähnlichen Golfete hält unser junger Bootsführer plötzlich an. Das Steuerseil der Ruderanlage ist gerissen. Nach kurzer Ratlosigkeit bildet er ein Paddel zum Steuern an den Aussenbordmotor. Man muss sich zu helfen wissen!
Als Abschluss unserer Bootstour fahren wir zur Castillo de San Felipe. Diese Burg wurde im 17. Jahrhundert von den Spaniern als Festung gegen Piraten und britische Soldaten erbaut. Später diente das Bauwerk mit seinen massiven Wänden als Gefängnis und schliesslich als Zollamt. Die Burg wurde zwei Mal erheblich umgebaut: der erste im Jahr 1688 nach schweren Piratenangriffen, die einen Teil davon niederbrannten und zerstörten; und das zweite im Jahr 1955 zu Beginn seines Bestehens als touristisches Reiseziel.
Bananenhaine säumen die Strasse zur alte Maya-Stadt Quiriguá, die vor allem durch ihre majestätischen Stelen charakterisiert ist. Die aufwendig verzierten Sandsteinmonolithen sind die grössten und am besten erhaltenen der Maya-Welt. Bis zu 8 Meter ragen die braunen Stelen hoch und weitere 3 Meter sollen sie in der Erde stecken. Wie uralte Wächter stehen sie in einem ruhigen, gepflegten Park mit tropischer Vegetation. Gemeisselte Gesichter früherer Herrscher schauen uns an. Federn, Adlerklauen und ganze Geschichten sind verewigt.
Quiriguás Lage war ideal für die Schaffung grosser Stelen. Aus dem Flussbett des nahe gelegenen Río Motaqua förderten die Menschen riesige braune Sandsteinblöcke. Diese waren zunächst weich, härteten an der Luft jedoch schnell aus. Ideale Voraussetzungen, um die gigantischen verzierten Steinstelen zu schaffen. Herausragende Künstler aus Copán unterstützten die Steinmetze aus Quiriguá bei ihren faszinierenden Schöpfungen. Alles, was sie benötigten, war ein grosser Anführer, der sie inspirierte und für ihre Arbeit zahlte.
Wie Schneeflocken wirbeln Schwärme von weissen und gelben Schmetterlinge über weite Strecken um uns rum. Die Landschaft ändert von dschungelartigem Wald zu buschigen und abgeholzten Hügeln. Holzpaletten werden hier an jeder Ecke hergestellt. Immer höher steigt die kurvige Strasse und erlaubt tiefe Blicke in neblige Täler. Die schwer beladenen Lastwagen kriechen sehr langsam den Berg hoch. Es wird an allen unmöglichen Stellen überholt. Seit vielen Wochen schaffen wir es wieder einmal auf über 1’700 Meter. Das Thermometer zeigt nur noch kühle 22° C. Im Biotopo de Quetzal entscheiden wir uns weiterzufahren. Die besonderen Vögel scheinen nicht da zu sein. Sie sind in dieser Jahreszeit nur in den Bergen oberhalb 2’000 m Höhe anzutreffen.
Cooperativa Chicoj war eine grosse Kaffeefarm in der Nähe von Cobán, die zunächst deutschen Familien gehörte, später Eigentum des Staates Guatemala wurde. Heute wird das Land von einer Genossenschaft kleiner Kaffeeproduzenten bewirtschaftet, die zur ethischen Gruppe den Q’eqchi Maya gehören. Sie bieten die Chicoj-Kaffeetour an. Eine junge Maya Frau führt uns durch die Plantage und demonstriert uns die verschiedenen Phasen der Kaffeeproduktion von der Aussaat, dem Wachstum, der Ernte, der Nassverarbeitung, dem Trocknen in der Sonne, der Klassifizierung der besten Bohnen bis zur versandbereiten Verpackung. Als eines der interessanten Details erfahren wir dabei, dass die Kaffeesträucher in Schatten von Bananenstauden wachsen, was Reifeprozess der Kaffeefrüchte verlangsamt und die Aromen intensiver macht.
Als letzten Schritt dürfen wir Kaffee probieren, der nach zwei verschiedenen Methoden zubereitet wurde. Unsere erste Tasse wird gebraut aus Bohnen, die gewaschen, an Luft getrocknet und anschliessend geröstet und gemahlen wurden. Er schmeckt etwas säuerlicher, aber sehr fruchtig. Für die zweite Tasse werden Bohnen verwendet, die nach der Honigmethode zubereitet wurden. Diese Bohnen werden nicht gewaschen. Dabei bleibt eine honigartige Creme auf den Bohnen, nachdem das Fruchtfleisch entfernt wurde. Das Ergebnis ist ein süsserer, weniger saurer und fruchtigerer Geschmack.
Wo der Fluss Cahabón durch die Stadt Cobán fliesst, schenkt ihm niemand viel Aufmerksamkeit, nur eine weitere der verdächtig trüben Adern unserer Erde. Doch dieser Fluss vollbringt das Wunder, dass er sich flussabwärts der Städte regeneriert und, nachdem er die natürliche Filterung der Erde genutzt hat, eine der anmutigsten Landschaften Mittelamerikas bildet. Versteckt in einem noch nicht vollständig domestizierten Teil des Dschungels von Alta Verapaz liegt ein idyllisches Kalksteinparadies.
Der Naturpark Semuc Champey ist so gestaltet, dass er den Besuch erleichtert, die Umwelt jedoch so wenig wie möglich beeinträchtigt. Daher erfordert der im Dschungel getarnte herrliche Aussichtspunkt einen anstrengenden Aufstieg von mehr als einer halben Stunde. Einmal mehr lohnt sich die Anstrengung, eröffnet sich doch ein Panoramablick auf die Reihe von Pools, die durch unterschiedlich hohe Travertinstufen verbunden sind. Das Wasser schimmert in einer Abfolge wundervoller Blau- und Grüntöne. Nach dem Abstieg ist dringend eine Abkühlung in einem der Becken erforderlich. Das Wasser ist klar und nicht zu kalt. Ausser den kleinen Fischen, die uns umgehend anknabbern, schwimmen auch keine gefährlichen Tiere herum. Der Zugang ist in praktisch allen Becken erlaubt, mit Ausnahme derjenigen, die zu nahe an der Doline liegen (niemand möchte, dass ein Tourist unter der Erde verschwindet und am anderen Ende ertrunken erscheint).
Das paradiesische Fleckchen Erde ist nicht ganzleicht zu erreichen, doch der Bau einer befestigten Strasse ist in vollem Gange. Noch bleibt die enge und holprigen Fahrt durch das Dorf Lanquín. Was wohl mit dem Naturjuwel passiert, wenn die Strasse einst fertig ist?
Wie der Name vermuten lässt, ist Orquigonia ein Orchideenschutzgebiet. In der Nähe von Coban wurde es 2007 von den Kindern des lokalen Umweltaktivisten Oscar Archila Euler gegründet. Die Bauern in Guatemala haben noch heute die Angewohnheit, den Wald abzuholzen und zu verbrennen. Die Familie Archila hat es sich zur Aufgabe gemacht, einige dieser Gebiete zu besuchen und einige der Pflanzen zu retten, bevor sie verbrannt werden.
Zwischen und an den Bäumen des Orchideengartens sind mehr als 792 verschiedene Arten dieser exquisiten Blumen versteckt. Bald wird uns klar, warum uns zu Beginn der Führung eine Luppe ausgehändigt wurde. Viele der Blüten sind so klein, dass sie mit blossem Auge kaum zu erkennen sind. Ohne den Guide hätten wir sie kaum erkannt. So klein sie auch sind, alle haben sie unterschiedliche Farben, Formen und sogar Gerüche: von Zimt über Vanille bis hin zu Honig. Einfach wundervoll.
Die schweren Regenfälle vor ein paar Tagen haben in Guatemala zu zahlreichen Erdrutschen, Überschwemmungen und umgestürzten Bäumen auf Hauptstrassen geführt. Auch unsere Strecke ist davon betroffen. Die Bäume sind aus dem Weg geräumt, aber an vielen Stellen liegt noch massiv Schutt auf der Strasse. Da dieser meist mit Schaufel und Schubkarre geräumt wird, kann es noch einige Zeit dauern.
Ansonsten ist die Route von Cobán nach Chichicastenango recht abwechslungsreich. Ein dauerndes Auf und Ab, wechselnde Vegetation, kleine Dörfer mit meist engen Strassen, in denen dann noch Autos geparkt sind. Da wird es auch mal recht eng, für dem schmalen Rocky jedoch kaum ein Problem.
Was uns auffällt sind die vielen kleinen Läden. Fast jedes 2. Haus ist eine Tienda, in der Snacks in kleinen Packungen und Softgetränke angeboten werden. Wer soll das nur alles kaufen? Und dann sind da noch die Autohotels. Sie bieten eine eigene Garage mit direktem Zugang zum Zimmer und werden stundenweise vermietet: für ein paar Stunden Ruhe und Entspannung während der Reise!
Wieder einmal zeigt sich, wie klein die Welt doch ist. Als wir auf dem Campingplatz in Chichicastenango ankommen, steht dort ein Camper mit St. Galler Nummer. Es ist Timon Niederer aus Thal, dem Dorf in der Ostschweiz in dem Marcel aufgewachsen ist. Die beiden Familien kennen sich allerdings nicht.
Chichicastenango, von seinen Einwohnern Chichi genannt, ist besonders und unterscheidet sich von allen anderen Orten in Guatemala. In ihr koexistieren gleichzeitig zwei religiöse und staatliche Institutionen. Auf der einen Seite die katholische Kirche und die Republik Guatemala, auf der anderen die Maya Bräuche und ein lokaler Rat, der sich mit Angelegenheiten befasst, an denen ausschliesslich die indigene Bevölkerung beteiligt ist.
Die grosse Attraktion für Touristen ist jedoch der Chichicastenango-Markt, einer der schönsten und grössten in Mittelamerika. Indigene Familien aus über 60 umliegenden Dörfern fahren in überfüllten Minibussen in die Stadt, um ihre Waren auf den Kopfsteinpflasterstrassen von Chichi anzubieten. Stände voller Kunsthandwerk, Huipils (farbenfrohe, gestickte Blusen der Maya Frauen), Keramik, Früchten, Gemüse und sogar lebenden Tieren füllen die Strassen der Innenstadt. Eine Explosion von Farben.
Mitten im Markt steht die Kirche Santo Tomás, von den Spaniern auf den Fundamenten eines Maya Tempes erbaut. 18 Stufen führen hinauf zum Hauptportal. Sie symbolisieren die 18 Monate des Maya-Kalenders. Die Atmosphäre sowohl draussen als auch drinnen ist unbeschreiblich. Rauch, Rituale, Gebete und Opfergaben von Mais, Blumen und Alkohol. Chuchkajaues, Maya Priester schwenken improvisierte Räuchergefässe mit Harz vom Kopalbaum, was in der indigenen Kultur von entscheidender Bedeutung ist. In dem weiss getünchten Gebäude gehen katholische Bräuche und Maya-Rituale Hand in Hand. Ohne Zweifel eines der Wahrzeichen in Chichi.
Abseits des Stadtzentrums, auf einem Hügel der selten von Touristen besucht wird, liegt einer der farbenfrohesten Friedhöfe der Welt. Mit seinen unzähligen Reihen bemalter Mausoleen ist der Friedhof von Chichicastenango ein perfektes Beispiel für Guatemalas positivere Einstellung zu Bestattungen. In einer Stadt, in der die Mehrheit der Bevölkerung aus indigenen K’iche Maya besteht, ist der Friedhof auch Schauplatz verschiedener Rituale, bei denen Weihrauch, Alkohol und gelegentlich Hühnchen als Opfergaben für die Verstorbenen dargeboten werden.
Die Farbe vieler Gräber richtet sich nach dem Familienstand der Person. Gräber können weiss gestrichen sein, um Reinheit zu symbolisieren; Gräber von Müttern sind türkis gestrichen, um Schutz zu symbolisieren; Grossväter sind gelb markiert, um anzuzeigen, dass die goldene Sonne die Menschheit beschützen wird. Andere Gräber brechen mit dieser traditionelleren Form und sind in Limettengrün oder Rot oder der Lieblingsfarbe des Verstorbenen gestrichen.
Obwohl die Strasse nach Panajachel am Lake Atitlán sehr steil sein soll und etliche Overlander bei der Fahrt schon Probleme mit ihren Bremsen hatten, wollen wir noch einmal an den reizvollen See. Wir haben schon Erfahrung aus dem letzten Jahr, viel steiler wird diese Anfahrt nicht sein. Wir gehen es langsam an, geniessen die Aussicht und kommen heil unten an. Was war denn da steil?
Wir stellen uns auf den Platz beim Hotel Bahía Atitlán mit schöner Sicht auf den See, den dahinterliegenden Atitlán Vulkan. Hoch über uns fällt die Cascada Sololá-Panajachel schäumend in die Tiefe. Als es am Nachmittag dunkel wird und heftig Regen einsetzt erschrecken wir beim Anblick des eben noch zahmen Wasserfalls. Eine dicke, braune Brühe wälzt sich bedrohlich tosend über den Felsen. Einzig beruhigend wirkt, dass wir auf der Brücke direkt unterhalb des Falls weiterhin Autos fahren sehen.
Am Morgen darauf ist alles wieder beim Alten. Ausser einigen Pfützen auf der Wiese erinnert nichts an den Stürm von gestern. Wir machen uns auf in den nahen Park Reserva Natural Atitlán. Der Wanderweg für durch eine ehemalige Kaffeeplantage, die sich die Natur zurückerobert. Mit unserem geschulten Auge können wir die Kaffeesträucher gut im überhandnehmenden Urwald erkennen. Der Hauptweg führt über Seilbrücken zu einem Wasserfall, dann hinunter zu einer Plattform, von der aus man Klammeraffen und Nasenbären zu Gesicht bekommen sollte. Doch die pelzigen Gesellen lassen sich heute nicht sehen. So beenden wir unseren Parkbesuch im schön angelegten Schmetterlingshaus. Hier ist viel los. Neben vielen anderen flattert eine grosse Anzahl der riesigen Blue Morphos zwischen den Pflanzen. Wir versuchen sie im Fluge zu fotografieren, da das schimmernde Blau nur bei offenen Flügeln zu sehen ist. Ein erfolgloses Unterfangen.
Als wir uns auf den Weg zur Fahrt hinaus aus dem Kessel des Lake Atitlán machen, ziehen wieder bedrohlich schwarze Wolken auf. Das gefällt uns nicht wirklich, führt die Strasse doch steil am Hang nach oben, wo Murgänge jederzeit möglich sind. Anstelle des Sees unter uns sehen wir bald nur noch Wolken, über und unter uns. Ohne Regen kommen wir zur kritischen Stelle der Route. Wegen einer fehlenden Brücke führt die Strecke durch den Bach. Hier war wohl die letzten Tage auch recht viel Wasser. Jetzt aber ist alles nur recht holprig, aber der Wasserstand ziemlich niedrig. Wieder einmal werden Rocky und wir kräftig durchgeschüttelt, dann sind wir am anderen Ufer wieder auf der Strasse.
Guatemala hatte in der Vergangenheit etwas Pech mit seinen Hauptstätten. Die erste Stadtgründung im heutigen Guatemala – initiiert vom Konquistador Pedro de Alvorado – wurde nach einem Aufstand der Indios bald wieder aufgeben. Die zweite Stadt zerstörte 1541 der Vulkan Aqua. Allerdings nicht durch glühende Lava, sondern durch eine erdrutschartige Schlammlawine. Rund zwei Jahre später gründeten die Spanier schliesslich das heutige Antigua. Antigua gehörte zeitweise – neben Mexiko-Stadt und Lima – zu den drei grössten und bedeutendsten Städten Spanisch-Lateinamerikas. Von Antigua aus wurde nicht nur das Staatsgebiet des heutigen Guatemala beherrscht – die Stadt war für ein Territorium zuständig, das von Yucatán und Chiapas bis nach Costa Rica reichte – und damit auch Teile von Mexiko sowie die heutigen Staatsgebiete von El Salvador, Honduras und Nicaragua umfasste. Doch 1773 wurde die aufstrebende Kolonialstadt durch eine Serie von Erdbeben beinahe vollständig zerstört. Aufgrund der besonderen Lage zwischen den Vulkanen und der erhöhten Erdbebengefahr wurde das Gebiet rund um Antigua schliesslich aufgegeben. Die Hauptstadt wurde in die neue Stadt Asunción verlegt, die heute als Guatemala-Stadt bekannt ist. Die vierte Hauptstadt Guatemalas.