Costa Rica II


01. Oktober bis 31. Oktober 2024

Frühstück mit Sicht aufs Meer, was gibt es Schöneres? Die Farben des Wassers von hellblau über Türkis ins dunklere Blau und dann hinauf zum strahlendem Blau des Himmels mit kleinen weissen Wölkchen. Schwärme von Schwalben, Schmetterlingen und Libellen fliegen vorbei. Die Wählematters haben uns wiedergefunden und wir geniessen mit ihnen den ruhigen Morgen auf dem Campingplatz von Babsita. Die Buben graben sich durch den schwarzen Sand, Jolanda entdeckt ein Faultier im Baum.

Nach vielen Jahren treffen wir wieder einmal Stefan, den Sohn von Erikas Bruder. Er wohnt seit ein paar Jahren in Playa Negra bei Puerto Viejo de Talamanca. Unsere schweizer Feriengäste ziehen in das Poolhaus ein, welches Stefan hier im Dschungel vermietet. Das angenehm frische Wasser lockt auch gleich die jungen und älteren Jungs. Jolanda und Erika freuen sich, dass sie die Waschmaschine und den Trockner nutzen dürfen. Danke Stefan.

Abends wollen wir nach Puerto Viejo zum Essen fahren, doch unser Rocky steht vor dem Tor und macht keinen Wank. Nach diversen Versuchen und Studien der Bedienungsanleitung, geben wir unseren Plan auf. Stefan holt uns Pizza. Nicht ganz was wir uns für heute angedacht haben, aber in der Not ganz gut. Als es Zeit fürs Bett ist, versucht es Marcel noch einmal. Tatsächlich springt der Motor an. Doch nicht nur das. Auch die Scheibenwischer fegen und alle möglichen Anzeigen blinken. Aber abstellen lassen sich weder die Scheibenwischer noch der Motor! Mit telefonischer Unterstützung aus Deutschland klemmt Marcel Batterien ab und einiges mehr, bis nach 1 Uhr Nachts endlich auch Rocky zu ruhen gedenkt. Uff.

Nach einer kurzen Nacht werden weitere Abdeckungen entfernt und Sicherungen gecheckt. Dann ist der Sündenbock gefunden, es ist das Elektronische Zündschloss. Mercedes hat das Steuergerät so unglücklich angeordnet, dass Kondenswasser von der Windschutzscheibe über die A-Säule direkt in den Stecker der Steuereinheit tropft. Natürlich sind die Pins entsprechend oxidiert und auch die Platine sieht erschreckend aus. Schnell ein leckeres Frühstück mit Spiegeleier und Speck und schon werken wieder alle Männer am Auto. Gegen Mittag heisst es dann plötzlich: Wir fahren. Housi hat alles gründlich gereinigt und – oh Glück – die Zündung funktioniert wieder. Rocky erhält einen neuen Ruheplatz bei Stefan im Garten. Dann geht’s zurück, entspannen im Pool ist angesagt um den Adrenalinspiegel herunterzufahren.

Abends spazieren wir alle sieben durch den Touristenort Puerto Viejo. In einem schönen Restaurant mit super leckerem Essen verbringen wir alle einen gemütlichen, lustigen Abend.

Heute besuchen wir zusammen den Cahuita Nationalpark. Als das Gebiet 1970 unter Schutz gestellt wurde, gab es viele verärgerte Bauern und Einwohner und mehrere hundert Menschen versammelten sich bei einer Gemeindeversammlung, um sich gegen den Park auszusprechen. Alvaro Ugalde war der letzte Redner des Abends und der einzige, der für den Park war. Er änderte jedoch die Stimmung der Bevölkerung, indem er darauf hinwies, dass die wahrscheinliche Alternative zu einem Nationalpark eine „Masse von Hotels, Yachthäfen und Golfplätzen wäre, die niemand haben wollte, ausser den ausländischen Unternehmen.“ In diesem Geist wurde die Entwicklung des Gebiets von kleinen lokalen Eigentümern und Betreibern durchgeführt. Auch wenn viele Ausländer heute hier ein Stück Land besitzen und ein Haus ihr eigen nennen, der grosse touristische Bauboom blieb aus.
Wir stärken uns erst einmal mit einem Frühstück in einem Restaurant im Dörfchen Cahuita. Am Eingang des Naturparks wartet bereits unser Führer Juanito. Er führt uns zuerst zum Kaiman Sumpf gleich daneben, doch im Moment lässt sich keiner sehen. Daneben tarnt sich ein giftig grüner Stirnlappenbasilisk derart gut, dass wir die Echse ohne Guide kaum im Grün der Pflanzen bemerkt hätten. Auf einem gut ausgebauten Wanderweg geht es durch den Urwald. Alle paar Meter zeigt uns Juanito ein Tier oder eine spezielle Pflanze. Kapuzineraffen turnen durch die Bäume, Brüllaffen machen sich von hoch oben bemerkbar. Die verschiedensten Vögel sind flink ein paar Äste weiter, bevor wir die Kameras bereit haben. Weniger flink sind die Faultiere. Trotzdem können wir die Fellbündel über uns nur durch Hinweise von unserem Führer erkennen. Und, eines bewegt sich sogar!

Wir verabschieden uns von Juanito und treten den Rückweg ohne ihn an. Unsere Augen sind jetzt geschult und wir finden die Tiere auch ohne ihn. Weit gefehlt: kein einziges Faultier können wir erkennen. Aber wir sind trotzdem zufrieden. Wir sehen Nasenbären und eine Waschbär Mutter mit ihrem Jungen und Blue Morpho Schmetterlinge. Die Kapuzineraffen kommen ganz nahe. Sind die genau so neugierig auf uns Menschen wie wir auf sie? Im Wasser tummeln sich jetzt zwei Kaimane, zusammen mit Schildkröten. Daneben sonnen sich grosse Leguane.

Wir geniessen einen Aperitivo direkt am Strand in Puerto Viejo. Die beiden Jungs gehen “tauchen» gleich im Riff davor. Jonas sieht einen grossen Stachelrochen und kommt ziemlich erschrocken an Land. Aber ein wenig in Sand spielen, bringt seinen Adrenalin Spiegel wieder hinunter. In der Zwischenzeit hat sich die Sonne rot verabschiedet. Bei feinen Spaghetti Pesto in der oberen Etage des Restaurants Madre Tierra beschliessen wir den schönen Tag und feiern Abschied von der Blatter Familie. Sie zieht es Morgen in Richtung Pazifikküste, wir bleiben noch etwas hier in der Karibik.

Am nächsten Morgen begrüsst uns eine Invasion von Raubvögel am Himmel. Ganze Wolken drehen über uns ihre Kreise, immer mehr kommen dazu. Es müssen Tausende sein. Wir identifizieren sie als Breitflügelbussarde, die auf dem Weg von den USA in ihr Winterquartier im Süden sind.

Bei Ben und Nathalie dürfen wir unseren Trinkwassertank auffüllen. Die beiden Schweizer haben sich hier in Playa Negro ein kleines Paradies erschaffen. Der Dschungelgarten mit den vielen verschiedenen Pflanzen und das Wissen über die heimische Tierwelt zeugt von der Liebe zur neuen Heimat. Nathalie springt mit Erika von einer Pflanze zur nächsten. Mit überschäumender Begeisterung zeigt sie ihren wunderbaren Garten. Pflanzen mit schönen Blumen, solche mit farbigen Blättern, essbare und giftige, uns bekannte und viele unbekannte. Aber sie weiss auch wo Froschlaich unter einem Blatt klebt, wo der Wasserkrebs seinen Höhleneingang hat oder in welchen Kolibri Nest noch ein Jungvogel sitzt. Sie fühlt sich sichtlich wohl in ihrer neuen Heimat.

Stefan zeigt uns die weissen Sandstrände von Punto Uva, Playa Grande und Manzanillo am türkisfarbenen Meer. Es ist Wochenende und viele Familien picknicken unter schattenspendenden Bäumen oder erfrischen sich im klaren Wasser. Die Ticos, so nennen sich die Costaricaner, scheinen grossen Spass zu haben. Auf dem Rückweg sehen wir einige Spots, um mit Rocky ein paar schöne Tage zu verbringen.

Endlich ist Montag und Marcel versucht, bei unserer Lieblings Mercedes Garage in San José eine Ersatzsteuereinheit für Rocky zu bekommen. Obwohl Marcel die Teilenummer der Platine nennt, will Autostar, so heisst der Laden, uns nur weiterhelfen, wenn wir das Fahrzeug zu ihnen nach San José bringen. Dort würde dann für US$ 400 erst eine Diagnose gemacht, um festzustellen, was defekt ist!? Das ist weltweiter Mercedes Service. Somit gilt Plan B, wir beschaffen uns das Ersatzteil über unseren Spezialisten in Deutschland. Doch auch das kann dauern.
So vertrauen wir auf die Aussage: „Wenn das Fahrzeug wieder startet und die Einheit geschützt ist, dann sollte das auch so bleiben“ und machen uns wieder auf die Reise. Wir verabschieden uns von Stefan. Eine Tasche voll Zitronen gibt er uns mit auf den Weg. Stefan hat uns in dieser Woche einige schöne Plätzchen gezeigt und mit uns gute Restaurants besucht. Wir haben es sehr genossen. Danke Stefan.
Uns zieht es an den karibischen Strand von Punta Uva. Es ist nicht weit und bald steht Rocky unter Palmen am glasklaren türkisblauem karibischen Meer. Wir lassen unsere Seele baumeln und unsere Körper von den Wellen wiegen. Jetzt, während der Woche, ist es ruhig und wir haben den Strand beinahe für uns allein. Ab und zu zeigt ein Pelikan seine Flugkünste. Einige der grün, blau, gelben Aras fliegen krächzend hinter uns im Wald vorbei. Eine Gelbkopf Karakara Familie präsentiert uns ihren Nachwuchs. Jeweils gegen Abend kurven um uns Wolken von Schwalben und lassen uns an ihrer Flugschau teilhaben. Ein wunderbarer Flecken Erde.

Bevor am Wochenende der Strand wieder überrannt wird, geben wir unseren Platz frei für die Einheimischen. Zufällig haben wir auf Google Maps den „Caribbean Rainforest Sloth“ in Guapiles entdeckt, der an unserer Reiseroute liegt. Deren Webseite verspricht mehr Wildtiere in einem Garten als an vielen Orten zusammen; für Vögel, Frösche und Faultiere. Genau unser Ding, also nichts wie hin.
Nach kurzem Umweg begrüsst uns Don Victor auf Caribbean Rainforest Sloth. Kurze Zeit später erscheint Jose, der Besitzer und macht uns mit dem Platz vertraut. Wir bleiben unter der Palapa sitzen, denn vor uns flattern alle möglichen Vögel um Bananen und Papaya, die für sie ausgelegt wurden. Gilbdrosseln, Tangare, leuchtend grün und blaue Naschvögel und Rotkehlkardinal, um nur einige zu nennen. Bald regnet es wieder einmal wie aus Kübeln. Das ist sogar den Vögeln zu viel. Nur der kleine Rufous Kolibri sitzt noch auf dem Draht und freut sich sichtlich ob der Dusche.

Als es dunkel ist holt uns José ab um im Garten nach den quakenden Fröschen zu suchen. Leider setzt wieder starker Regen ein. Wir brechen ab und genießen erst mal ein Raclette. Was kann es besseres geben bei dem Wetter. Mit der Stirnlampe machen wir uns anschließend alleine auf die Pirsch. Es tropft noch von den Bäumen, das lieben die Frösche. Kleine gelbe Knickzehenlaubfrösche, ein grüner Rotaugenlaubfrosch und ein schöner brauner Costa Rica Laubfrosch halten für unsere Kamera still. Viele andere hören wir, können Sie aber nicht finden.

Was für ein toller Platz! Die Faultiere scheinen sich hier wohl zu fühlen. José führt am nächsten Morgen durch seinen Wald und zeigt uns einige Zwei- und Dreifinger Faultiere in den Bäumen. Aus einem der Fellknäuel schauen die Augen eines Babys zu uns hinunter. Einer der gemütlichen Zeitgenossen klettert nach unten. Leider nicht bis auf den Boden. An der nächsten Astgabel ist erst mal Pause angesagt. Dann knackt es im Baum gleich neben Erika. Es ist jedoch nicht ein dürrer Ast, sondern ein riesiger Leguan, der gleich neben ihren Füssen auf den Boden kracht. Ehe wir uns vom Schrecken erholt haben, ist er schon über alle Berge.

Pflanzen, Pilze, Blumen, Samen, Moose, Wurzeln. Und dann noch von den winzig kleinen roten Blue Jeans Fröschen. Das alles gibt es im paradiesischen Zauberwald, durch den ein idyllisches Bächlein fliesst. Wir können uns kaum satt sehen und entdecken immer wieder Neues.
Und dann ist da noch der Garten, in dem am Abend die Frösche ihr Konzert geben. So einige Bäume, Büsche und Blumen werden hier gezogen, um Faultiere und Vögel anzulocken. Aber nicht nur. José erklärt uns nebst Kaffee und Kakao noch so viele andere interessante Pflanzen, die hier wachsen. Kurkuma, Minze, Zitronengras, Zimtbaum, Mango, Avocado und einige endemische Heilpflanzen.

Wir bleiben noch eine Nacht. Schauen wieder lange den Vögeln an der Futterstelle zu, suchen Frösche im Dunkeln und gucken dem Faultier am Morgen noch einmal in die Augen. Dann heisst es auf Wiedersehen. Diesmal fahren wir auf der nördlichen Seite um den Vulkan Poas herum, aber das Bild bleibt das gleiche. Schmale Strassen mit steilen Abschnitten und engen Kurven, aber Regen und dichter Nebel. Nichts mit malerischen Ausblicken auf Kaffeeplantagen, nichts mit ruhigen Plätzen in ländlicher und ruhiger Atmosphäre zum Anhalten und Ausruhen.

Um die Mittagszeit erreichen wir mitten im Regen das Städtchen Zarcero auf 1’736 Metern Höhe. Das Thermometer ist inzwischen auf kalte 18°C gesunken. Die Hauptattraktion von Zarcero ist der Francisco Alvarado-Park vor der Kirche, ein Park voller Zypressen mit unterschiedlichen Formen. Don Evangelista Blanco, der Gärtner und Kurator des Parks, liess sich 1960er Jahren dazu inspirieren, die Büsche zu beschneiden und verwandelte diese in beeindruckende Kreationen wie Tiere, Formen und Menschen. Affen, Dinosaurier, Elefanten und viele andere Tiere lassen sich finden, auch wenn sie vom echten Tier ein wenig abweichen. Mit anderen Besuchern und Einheimischen schlendern wir trotz Nieselregen durch die Bögen und bestaunen die verschiedenen Formen. Auch heute noch pflegt und schneidet Don Evangelista die Zypressen in diesem Park, die nur er in einwandfreiem Zustand hält.

Eine weitere Attraktion in Zarcero ist die Kirche Iglesia de San Rafael, direkt oben an der Treppe des Parks. Diese rosa-blaue Kirche, deren Außenwände aus Blech gefertigt sind, weist wunderschöne Gemälde und Dekorationen im Inneren auf.

Wieder zurück im trockenen Wohnmobil sehen wir den WhatsApp Status von Yami. Die Arribada der Tortugas, die Massenankunft der Meeresschildkröten im Reservat von Ostional hat bereits begonnen. Das wollen wir unbedingt miterleben. Wir werfen alle Pläne aus dem Fenster und machen uns auf den direkten Weg zurück an die Pazifikküste.
235 km später, inklusive 33 km schlechteste Schlaglochpiste und einer Flussdurchfahrt, sind wir am nächsten Tag wieder in Ostional. Wir verabreden uns mit Yami auf 16.30 Uhr, denn während der Arribada darf der Strand nur in Begleitung eines Guides begangen werden.

Eine Arribada ist ein Massennistenereignis von Meeresschildkröten. Hunderte und manchmal Tausende von Meeresschildkröten kommen gleichzeitig an Land, um innerhalb weniger Tage ihre Eier an einem kleinen Strandabschnitt abzulegen. Dieses Verhalten kommt nur an einigen Standorten auf der ganzen Welt vor, einer davon ist hier in Ostional. Die Arribada kann bis zu 5 Tage dauern. In dieser Zeit sollen bis 150’000 Oliv- Bastardschildkröten ihre Eier an diesem Strand ablegen. Die größte bekannte Arribada erlebte man im November 1995, wo bis zu 500’000 weibliche Schildkröten an Land kamen.
Als Yami uns am späten Nachmittag an den Strand führt, sehen wir schon von weitem unzählige Schildkröten. In der schäumenden Brandung strecken weitere immer wieder ihre Köpfe aus dem Wasser. Es herrscht ein reges Kommen und Gehen. In gebührendem Abstand gehen wir zwischen ihren Panzern durch, wir wollen sie bei ihrem Landgang nicht stören. Etwa 45 Minuten dauert der Kraftakt einer Schildkrötenmutter. 15 Minuten schiebt sie sich mit ihren Flossen den nassen Strand hoch. Während weiteren 15 Minuten gräbt sie ein 40 cm tiefes Loch in den Sand, legt etwas 100 Eier hinein und deckt es wieder zu. Die letzten 15 Minuten kämpft sie sich müde zurück ins Meer.

Bei so vielen Schildkröten wird der Platz für die Nester knapp. So kommt es schon mal vor, dass die Eier einer Vorgängerin ausgegraben werden. Die Geier und die Störche warten schon auf ihre Gelegenheit. Manchmal aber sind es nicht Eier, sondern frisch geschlüpfte Babyschildkrötchen. Umgehend begeben Sie sich auf den langen Weg ins Wasser. So manches fällt einem lauernden Geier oder, so unglaublich es für uns ist, einem unbedachten Touristenschuh zum Opfer. Wieso haben die einen Guide dabei? Wir schauen begeistert den grossen und den kleinen Schildkröten weiter zu, wie sie zusammen mit der untergehenden Sonne vom Meer verschlungen werden. Ein unglaubliches Schauspiel welches uns die Natur hier erleben lässt.

Am nächsten Morgen tanzen wir mit Rocky erst mal wieder 30 km Salsa um die Löcher in der Naturstrasse, bevor wir wieder Asphalt unter den Rädern haben. An der Playa Flamingo finden wir ein ruhiges, schattiges Plätzchen am Stand. Die Wellen schäumen auf den weissen Sand. Es ist heiss und feucht. Da fällt es uns leicht, die Küste zu verlassen, um im kühleren Landesinneren nach Flora und Fauna Ausschau zu halten.

Einheimische erzählen die Geschichte eines Flusses, der blau wurde, als Gott seinen Pinsel in sein Wasser tauchte, während er den Himmel bemalte. Auch wenn heute bekannt ist, dass der Rio Celeste seinen himmlischen Farbton der Kombination von Schwefel und Kalziumkarbonat vom nahen Vulkan verdankt, schmälert das die Magie kein bisschen. Eingebettet in die Wälder des Tenorio Volcano Nationalparks windet er sich durch die Wildnis des Regenwaldes.
Wir stellen uns auf das Tenorios Treasure Camping, auf dem es unseren Reisefreunden Manuela und Fabian so gefallen hat. Zu Fuss erkunden wir die Pfade des riesigen Grundstücks bis hinunter zum Fluss und geniessen den beinahe unberührten Regenwald. Die Vielzahl der verschiedenen Bäume, Büsche, Ranken, Farne und Moose ist schier unglaublich. Grüntöne variieren von hell bis dunkel, Blattformen kennen kaum Grenzen. Der an sich wilde Fluss bildet immer wieder Fluss Pools, die zum Schwimmen einladen. Natürlich tun wir das auch, um von der angeblich magischen Heilwirkung des Flusses zu profitieren.

Neben dem blauen Rio Celeste gibt es ein weiteres Highlight auf dem Platz. Die Aussichtsplattform auf halber Höhe zum Fluss erlaubt eine weite Sicht bis hin zum Vulkan Arenal, sofern der sich nicht gerade hinter den Wolken versteckt. Das Faszinierende für uns ist jedoch die Vogelwelt, die uns dort umgibt. Jeweils am späteren Nachmittag genehmigen wir uns unseren Apero auf der Plattform und beobachten das bunte Treiben. Flycatcher, Spechte, Papageien und Tukane fliegen um uns herum und turnen auf den Bäumen. Sogar ein Lachender Falke sitzt vor uns auf einem Ast. Aracaris, die kleinen, lustigen Brüder der Tukane schauen uns hinterlistig über die Schultern und fliegen davon, sobald wir sie entdecken. Liebenswürdigerweise kommen sie kurz darauf in grosser Zahl zurück, um sich uns in ihrer ganzen Schönheit zu präsentieren. Das Schauspiel der Vögel gefällt uns so sehr, dass wir eine ganze Woche bleiben.

Heute wollen wir die Feuerstelle nutzen und das Steak darauf braten. Bisher regnete es gegen Abend, aber heute scheint es trocken zu bleiben. Wir sitzen am Feuer, genießen ein Glas Wein und freuen uns bereits, dass das Holz so gut brennt. Plötzlich fällt ein Tropfen Regen und gleich darauf werden Eimer aus den Wolken geleert. Schnell bringen wir alles ins Trockene und schliessen die Dachfenster. Aus dem Trocken beobachten wir, wie unser schönes Feuer trotz starkem Regen unbeirrt weiter züngelt und brennt. Als der Regen nach kurzer Zeit aufhört, ist die Glut perfekt. Unser Fleisch liegt in Kürze gebraten auf unseren Tellern. Einem gemütlichen Abend am Feuer steht nicht mehr im Wege.

Wir lassen uns treiben. Auf dem Rio Niño floaten wir in einem Ruderboot den schokoladebraunen Fluss hinunter. Die Strömung führt uns vorbei an mit Lianen behangenen und von Würgefeigen umschlungenen Urwaldriesen, welche uns immer wieder begeistern. Bewachsen mit Moosen und Farnen sehen sie aus, als würden sie einen Pullover tragen (und das bei der Wärme). Bromelien zieren ihre Kronen, Kletterpflanzen ranken an den Stämmen hoch oder baumeln wie Vorhänge von den Ästen bis hinunter ins Wasser.

 Ja, und natürlich zeigen sich auch einige Tiere, wenngleich wir mehr davon erwartet haben. Brüllaffen, Klammeraffen und ein Faultier entdecken wir im Laub der Bäume. Kleine grüne und riesige gelborange Leguane sonnen sich auf teils dünnen Zweigen, die über das Wasser ragen. Vögel fliegen vorbei, ein paar Reiher und viele kleine, die wir kaum erkennen können. Ab und zu liegt auch ein grosser Kaiman am Ufer, auch wenn ihre bevorzugten Sandbänke wegen dem hohen Wasserstand überschwemmt sind. Die Fischer am Ufer winken uns zu und lachen. Für sie sind die Kaimane keine Gefahr, die fressen angeblich nur Touristen.

Nun freuen wir uns auf das Nationale Wildschutzgebiet Caño Negro in der Nähe der Grenze zu Nicaragua. In diesem Wildgebiet konzentriert sich eine große Anzahl an Arten, die vom Aussterben bedroht sind. Es ist ein Feuchtgebiet mit vielen Wasservögeln, Säugetieren, Reptilien sowie einigen endemischen Süßwasserfischen. Zudem sollen zurzeit viele Zugvögel auf ihrem Weg in den Süden hier eine Rast einlegen.
Das Wetter ist trocken und so scheinen wir angenehme 75 km Fahrt durch das nördliche Tiefland Costa Ricas vor uns zu haben. Haben wir uns gedacht, denn auf den letzten 25 km wird die Naturstrasse wieder einmal zu einer dieser „finde den Weg um die Schlaglöcher“ Odysseen. Nach 2 Stunden Schwerstarbeit auf der Piste zwischen den Ananasfeldern und Yuka-Plantagen haben wir auch diesen Kampf gewonnen und beziehen einen schönen Platz direkt am Wasser. Natürlich ist schnell auch ein Guide zugegen und verkauft uns eine Bootstour durch die Sümpfe für morgen früh.

Um 7 Uhr legt das kleine Boot vom Steg ab. Das Wasser hier ist ruhig und sanft, perfekt zum Beobachten von Wildtieren! Fast ohne Motorgeräusche gleiten wir auf der Süßwasserlagune dahin. Bald sehen wir das erste Gelbstirn-Blatthuhn auf ein paar Schwimmpflanzen stolzieren. Verschiedene Eisvögel queren unseren Weg, um sich dann auf einem Ast vor unseren Kameras zu verstecken. Sogar den kleinen, seltenen Zweifarbenfischer entdecken wir. Hoch in einem Baum breitet ein Anhinga seine Flügel zum Trocknen aus. Wenn der Schlangenhalsvogel schwimmt, liegt er tiefer im Wasser als viele andere Vögel, ähnlich einem Kormoran. Eine Folge des nassen Gefieders und des dichten Knochenbaus. Oft ragen nur Hals und Kopf aus dem Wasser, was dann aussieht wie eine Schlange. Ebenfalls in den Bäumen sonnen sich bereits einige stolze Exemplare von Leguanen, unbeirrt von den kleinen Singvögeln, die in den Ästen herumhüpfen.
Der Wasserstand ist sehr hoch und entsprechend steht das Ufer bis weit in den Dschungel unter Wasser. Grosse und kleine Reiher und Ibisse halten dort Ausschau nach einem unvorsichtigen Fisch. Von den unzähligen Kaimanen, die hier heimisch sind, lässt sich ein einziger blicken. Irgendwie verständlich, sind doch ihre bevorzugten Sandbänke alle Land unter.

Wir halten weiter Ausschau nach den seltenen und gefährdeten Arten wie Jabiru-Storch, Rosalöffler und Waldstorch. Schwärme davon sollen in der Lagune zu sehen sein. Doch sie sind nicht da. Wir sind zu früh. Sie werden erst im Januar nach Caño Negro übersiedeln, wenn der Wasserspiegel um einiges gesunken ist. Der Fluss verengt sich dann zu kleinen Lagunen, die Tausenden von Vögeln ein Zuhause bieten. Und das sagen sie uns jetzt, nachdem wir zuvor explizit danach gefragt haben!
Zum Trost ziehen Ospreys über uns ihre Runden zusammen mit einigen Anhingas, die auch sehr gute Flieger sind. Und dann ist da noch das Nest der Anhingas auf einem Inselchen aus Schwemmholz. Die flaumigen, weissen Nestlinge strecken gierig ihre Schnäbel in die Höhe.

Hinaus vom abgelegenen Caño Negro nehmen wir die andere Route. Nur Anfangs sind hier noch Schlaglöcher und das ist auch gut so, denn es beginnt zu Regnen. Die letzten Tropfen fallen, als wir La Fortuna am Fusse des Vulkans Arenal erreichen. Neben Restaurants, Bars und Souvenirshops ist die kleine Stadt ein Paradies für Abenteuerliebhaber, beziehungsweise der Touranbieter. River Rafting, Zip Lining und Canyoning werden in jedem zweiten Shop angeboten. So viel Adrenalin entspricht nicht ganz unserm Bedürfnis. Die Hauptattraktion von La Fortuna ist jedoch die umliegende Landschaft und die vielen unglaublichen Dinge, die man in der Natur unternehmen und sehen kann. Als erstes entscheiden wir uns für einen Aperitivo mit der Bäckerfamilie aus Alchenflüh. Wir haben die Vier im Tenorio Treasure Camping kennengelernt und stehen nun zufällig wieder auf den gleichen Platz.

Eine mehr anregende als aufregende Attraktion ist der Besuch eines Thermalbades mit vulkanischem Heilwasser. Wir fahren an den teuren Spa’s vorbei zu den Termales Los Laureles, einem Familienbad mit warmen Thermalwasser Becken und einigen Pools mit kaltem Wasser inklusive Wasserrutschen. Dem grossen Parkplatz und den vielen Palapas zu urteilen, muss hier an Wochenenden ganz schön was los sein. An dem regnerischen Montag wie heute können wir die Anlage fast allein geniessen. Es ist herrlich sich im angenehm warmen Wasser zu entspannen.

Als wir am Parkplatz zum Toucan Trail ankommen, begrüsst uns ein vorwitziger Nasenbär. Trotz anders lautendem Wetterbericht scheint die Sonne vom fast blauen Himmel. Nur der Vulkan will sich nicht ohne Wolken zeigen und behält seinen Hut an.
Auch wenn wir uns wiederholen, eine Wanderung durch den tropischen Regenwald ist immer wieder eine Reise aller Sinne. Wohin man schaut, begeistert das viele Grün, oft im Kontrast zu den schwarzen Lavasteinen vom Ausbruch des Arenal im Jahr 1992. Farne unterschiedlichster Arten von nur einem 1 cm bis hin zu 2 m langen Riesen. Einige winden sich um einen Stamm um mehr Sonnenlicht zu ergattern. Wir klettern über Wurzelwerk, moosige Steine oder einen vermodernden, gefallenen Baumstamm, der mit Scharen von Pilzen bewachsen ist. Dann und wann geht der Blick vom Boden in die Höhe. Ein Baumriese lässt uns seine hohe Krone nur erahnen. Wie hoch mag er sein? Vögel zwitschern, Affen geben ihren Kommentar dazu, Zikaden sirren. Dann erreicht ein angenehmer Duft die Nase. Ein Blumenteppich liegt auf dem Waldboden. Und wieder geht der Blick nach oben. Aha von hier kommt der Wohlgeruch.
Nach der bereichernden Erfahrung verabschiedet uns eine ganze Gruppe Nasenbären vom üppigen Zauberwald.

Wenn wir schon im Abenteuer Paradies Costa Ricas sind, wollen wir doch wenigstens etwas Adrenalin spüren. Wir besuchen die Mistico Hanging Bridges mit den 6 Hängebrücken, die hoch über das Blätterdach des Regenwaldes führen. Von den Brücken aus erhoffen wir uns Affen, Faultiere und Vögel in den Baumkronen zu entdecken.
Der wacklige Gang über die bis zu 97 m langen Seilbrücken, lässt tatsächlich den Adrenalinspiegel ansteigen, insbesondere bei Erika. Der gewagte Blick in die Tiefe zeigt jedoch nur Flora, keine Fauna. Bei dem regnerischen Wetter kennen die Tiere wohl bessere Plätze, als sich im Blätterdach den Touristen zu präsentieren. Die lautstarke Symphonie der Zikaden übertönen die Vogelstimmen im Wald, sodass auch die gefiederten Freunde schwer zu erkennen sind. Freude kommt auf, als uns die Tourguides von anderen Besuchern auf winzige Schlangen im Gehölz aufmerksam machen. Die Kerle müssen Adleraugen haben.

Mitten auf der kurvigen Fahrt entlang dem Arenalsee begrüsst uns ein Hotelschild mit einem freundlichen „Grüezi“. Hinter den Schild stehen stilechte Chaletbauten. Wir sind in Pequeña Helvecia, dem Ort, den Franz Ulrich aus Hergiswil vor über 40 Jahren von einem Kuhstall zu einem kleinen Schweizer Dorf ausgebaut hat. Auf der Wiese grasen Simmentaler- und Holsteiner Kühe, vor dem Hof steht ein Aebi Transporter. Neben den Ställen stehen ein Hotel, ein Ferienhaus und eine Kapelle. Gemälde von Juan Santamaria und Arnold von Winkelried an der Fassade des Hotel Héroes repräsentieren die Mischung zweier Kulturen, der Tico von Doña Silena, seiner Frau und der Schweizer von Don Franz. Sähe man nicht Tukane und Papageien herumfliegen, man könnte fast glauben, man wäre in der Schweiz.

Und Pequeña Helvecia hat sogar einen Bahnhof. Der „Tren Turistico Arenal“, eine Feldbahn mit Spurweite 600 mm, stammt ursprünglich aus Cheseau bei Lausanne, wo sie ein Bauer während Jahren gebaut hatte. Da es Probleme mit der Bewilligung gab, kam sie jedoch nie in Betrieb. Franz Ulrich, der im Jahre 2014 leider verstorben ist, hat sie nach Costa Rica importiert und damit den kleinen Berg hinter dem Hotel erschlossen. Die Bergbahn ist 3.5 km lang und überwältigt eine Höhendifferenz von fast 200 Metern. Die grösste Steigung ist 73 Promille. Der erste Tunnel ist 43 Meter lang, der zweite 35 Meter. Eine weitere Attraktion der Bahnlinie ist die offene Kehrschleife mit 10 Bögen, ein Nachbau des berühmten Kehrviadukts der Rhätischen Bahn auf der Berninastrecke bei Brusio. Leider leiden sowohl das Hotel wie auch die Bahn noch immer unter den Folgen der Pandemie. Derzeit sind sie nicht in Betrieb, was sich nach notwendigen Unterhaltarbeiten an der Bahn bald ändern soll. So laufen wir die Bahnstecke zu Fuss ab und stöbern die Fledermäuse in den Tunnels auf. Doch ganz auf den Berg kommen wir nicht. Der obere Teil der Strecke, inklusive dem Kehrviadukt befindet sich wortwörtlich im Dornröschenschlaf. In den vier Jahren seit Corona hat sich die Natur die Bahnstrecke zurückerobert.