San Marcos, Quetzaltenango, Totonicapán, Sololá, Huehuetenango
25. Februar 2023 bis 22. März 2023
Es ist bereits 17:15 h, als wir vom Zoll abfahren. Nicht wirklich die Zeit, um die ersten Kilometer auf den Strassen in einem neuen Land zu fahren. Die Strasse ist eng, nicht im besten Zustand. Und natürlich hat es auch in Guatemala diese ekligen Topes, hier Túmulos genannt. Am Strassenrand liegen wieder Berge von Abfall. Zudem scheinen jetzt, am frühen Samstagabend, alle Leute unterwegs zu sein. Zu Fuss, mit dem Auto oder mit dem Motorrad. Zum Glück ist es nicht weit bis zu unserem Übernachtungsplatz Pozo del Cubo in Malacatán.
Am nächsten Morgen sieht die Welt freundlicher aus. Ein kurzer Weg durch den blumigen Garten des Grundstücks bringt uns zu einem kleinen Wasserfall. Nach dem gemeinsamen Frühstück – sonntags gibt es traditionsgemäss Pancakes – heisst es vorerst Abschied nehmen. Wir trennen uns für einen dreiwöchigen Spanischkurs. Max und Marion reisen dafür an den Atitlán See, wir versuchen es in der Stadt Quetzaltenango.
Die Strasse nach Quetzaltenango scheint zuerst fast in den Himmel zu führen. Auf einer Strecke von nur 28 km überwinden wir 2’000 Höhenmeter, hinauf auf 2’600 m.ü.M. Ein kurzen Abstieg bringt uns in die Stadt San Marcos. Dank einer schlecht ausgeschilderten Umleitung dürfen wir mitten durch das Zentrum fahren, wo gerade der Wochenmarkt stattfindet. Anschliessend geht es noch einmal hoch hinaus, auf eine Höhe von 3’000 Metern. Nach 4 stündiger Bergfahrt auf schmaler, aber nicht allzu schlechter Strasse erreichen wir unser Ziel Quetzaltenango. Es waren nur 100 km.
Am Ziel sind wir aber noch lange nicht. Der erste von uns anvisierte Dauerparkplatz will uns nicht aufnehmen. Wir sind zu gross. Also lassen wir Rocky vorerst am Strassenrand stehen und erkunden die Stadt zu Fuss. Nahe der Schule finden wir ein Parqueo, das uns aufnehmen will. So ganz gefällt uns der staubige Platz nicht, aber fürs Erste muss es reichen. Die Fahrt durch die Stadt zum Parkplatz kommt dann einer Odyssee gleich. Das Navi gibt für die 2.1 km lange Stecke 11 Minuten Fahrzeit an. Auf halber Strecke reihen wir uns hinter einer sehr langsamen, kirchlichen Prozession ein. Die Ausweichroute bringt uns direkt zu einem Sonntagsmarkt. Hier sollen wir links abbiegen, aber die Strasse ist heute nicht befahrbar. Die nächste Abzweigung ist von der Polizei wegen einem Unfall gesperrt. In weitem Bogen geht es aussen herum, bis die angegebene Strasse einfach aufhört. Also noch einen weiteren Bogen. Fast am Ziel werden wir noch einmal angehalten. Die Durchfahrt sei wegen der Prozession derzeit nicht möglich. Glücklicherweise biegen wir vor der Prozession in unseren Parkplatz ein. Uff. 1 Stunde und 13 Minuten waren wir unterwegs, 9.1 km haben wir zurückgelegt.
Es sei hier vorweggenommen. Nach dem ersten Schultag werden wir den Platz noch einmal wechseln. In der Nähe des Fussballstadions finden wir ein sauberes Hinterhof-Parking, auf dem wir uns endgültig einrichten. Am Samstagabend, wenn alle Fussballfans parkieren wollen, herrscht hier Rush Hour. Auf den 20 engen Parkplätze werden dann 44 Fahrzeuge eingeparkt!
Quetzaltenango ist der offizielle Name der Stadt, den man auf allen Karten und Schildern sieht. Aber sie ist überall unter ihrem Maya-Namen Xela (ausgesprochen „Schella“) bekannt. Das ist nicht nur einfacher zu buchstabieren, sondern auch viel besser auszusprechen!
Xela ist die zweitgrösste Stadt Guatemalas, etwa 4 Autostunden von Guatemala-Stadt entfernt und liegt im westlichen Hochland auf einer Höhe von etwa 2’300 Metern. Wenn wir also während unserem Aufenthalt in Xela feststellen, dass wir ein wenig aus der Puste kommen, während wir ein der steileren Strassen hinaufgehen, ist das der Grund! Zumindest reden wir uns das immer wieder ein.
Rund um den Parque a Centro América verfügt die Stadt über ein historisches Stadtzentrum mit interessanter Architektur. Daneben gibt es einen sehr überschaubaren Altstadtkern mit vielen abfallenden Kopfsteinpflaster-Strässchen, durch die sich der Verkehr zwängt.
Von fast allen Punkten der Stadt erblickt man den Vulkan Santa Maria, dessen perfekter Kegel die Stadt um gut 1’500 m überragt. Sein Nebenvulkan, der Santiaguito ist noch heute aktiv. Den dunkelsten Tag erlebte Quetzaltenango am 24. Oktober 1902, als die Flanke des Santa Maria aufriss. 19 Tage lang förderte er Schlacke und Asche und tötete 5000 Menschen. Die Eruptionswolke erreichte eine Höhe von 27 Kilometern. Die Stadt kam so arg zu Schaden, dass sie sich in Folge nie mehr richtig erholte. Durch die allmähliche Abwanderung kapitalkräftiger Investoren in die Hauptstadt, insbesondere Besitzer von Kaffeeplantagen, versank sie in immer grösserer Bedeutungslosigkeit. Den Geldmangel erkennt man an fast jeder Ecke.
Trotzdem bleibt es eine entspannte Stadt. Ohne einen Hauch von touristischem Glanz, aber dies ist das wahre Guatemala: freundlich, farbenfroh, traditionell, fleissig und mit seinen historischen und einheimischen Wurzeln.
Die Bewohner von Xela sind hauptsächlich indigene Maya. Ihre Maya-Sprachen sind auch auf den Märkten zu hören. Die Menschen tragen immer noch die typischen farbenfrohen Kostüme, hauptsächlich die Frauen, Männer haben zuweilen schon auf Jeans gewechselt.
Hier also lassen wir uns drei Wochen nieder, um unsere Spanischkenntnisse zu verbessern. Unsere Schule ist die Kamalbe Spanish School, eine kleine unabhängige Spanischschule. Als Non Profit Organisation unterstützt sie Gemeinden im westlichen Hochland von Guatemala durch Programme, die einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Gesundheit ermöglichen.
Unsere Maestra, unsere Lehrerin ist Helen. Die herzliche, junge Maya-Frau versucht uns beide täglich 4 Stunden mit viel Geduld in die Geheimnisse der Spanischen Sprache und Grammatik einzuweisen. Daneben lernen wir von ihr auch viel Interessantes über die Mayas und ihre Traditionen. Auch wenn (noch) nicht alle Verbkonjugationen sitzen – die Spanische Sprache kennt viele Zeitformen mit vielen Ausnahmen – so wissen wir heute viel mehr über typische lokale Speisen, den Maya Kalender oder wie in Guatemala Hochzeiten gefeiert werden. ¡Gracias Helen!
Am Stadtrand von Xela erhebt sich der 2’600 Meter hohe Cerro del Baúl. Kreuz und quer, auf und ab laufen wir durch die Strassen der Stadt, bevor es auf einem ausgewaschenen Weg bergan geht. Wieder einmal ausser Puste kommen wir oben an und verstehen, warum die Einheimischen mit dem Auto nach oben fahren. Als Belohnung gibt es eine tolle Aussicht auf das Stadtgebiet und die umliegende Landschaft. Klar ist die Sicht nicht, wohl nie zu dieser Jahreszeit. Die feuchte Umgebung und die vielen Holzfeuerungen führen leider zu einer hässlichen Dunstglocke.
Wie auf einer Tafel oben auf dem Hügel zu lesen ist, ist der Berg ein magischer Ort und ein wahrer Stolz für die Quetzalteken. Die magische Geschichte des Cerro El Baúl besagt, dass die ursprünglichen Besitzer des Hügels eine wohlhabende Familie waren, die im Laufe der Jahre verschwand. Sie hatten einem Kobold befohlen, den Hügel und das verzauberte Geld zu beschützen, das im Innern des Hügels vergraben ist. Laut dieser Legende findet man Münzen in einem Stahlkoffer, wenn man durch eine geheime Tür auf der Nordseite des Berges eintritt. Dies ist der Schatz, den der Kobold bewacht. Und er ist dafür verantwortlich, sein Versteck zu wechseln, wenn jemand kurz davor ist, ihn zu finden.
Unserer Lieblingsort in Xela wird schnell der Mercadola La Democracia. Nur ein kleiner Umweg bringt uns auf dem Nachhauseweg fast täglich an diesen sehr farbenfroher Ort, an dem Produkte zu niedrigen Preisen und in grosser Auswahl zu finden sind. Stoffe, Kleider, Schuhe, Lebensmittel. Eine ganze Strasse mit frischem Obst und frischem Gemüse.
Der La Democracia-Markt ist der Ort, den Quetzalteken besuchen, um sich mit Grundnahrungsmitteln und Lebensmitteln einzudecken. Mindestens 2.000 Händler bieten hier ihre Waren an. Laut Analysten werden jeden Tag Millionen von Quetzales umgesetzt. (1 € = 8.3 Q). Darüber hinaus gibt es in den Strassen rund um La Democracia verschiedene Bäckereien, Supermärkte, Bekleidungsgeschäfte und andere Geschäfte. In einem der Supermärkte finden wir sogar Raclette Käse. Und den lassen wir uns gleich am Abend schmecken, mit allen Zutaten wie in der Schweiz.
Als Ausgleich zum harten Studentenleben bietet die Schule interessante Freizeitangebote an. Wir erfahren eine kurze Einführung ins Salsa tanzen und wir lernen Pupusas, gefüllte Tacos, zu kochen. Am Cocktailabend serviert Maestro Lizandro einen lokalen Drink mit Quezalteca, Apfellimonade und viel Eis. Der Quezalteca ist ein Schnaps aus Zuckerrohr. Dazu gibt’s feine Tostillas mit Guacamole und Queso duro. Eine leckere Kombination zum Nachahmen.
Durch das grösste Gemüseanbaugebiet des Hochlands, rund um das Dorf Zunil, fahren wir zu den Fuentes Georginas, einer der berühmtesten heissen Quellen des Landes. Die Becken werden von Thermalwasser des Zunil-Vulkans gespeist. Ein wunderbarer Ort inmitten der Natur, umgeben von Regenwald, Farnbäumen und Blumen. Und der Regenwald nimmt es heute wörtlich. Dicke Tropfen fallen aus dem Laub der grossen Bäume. Das Klima ist entsprechend frisch. Umso wohliger geniessen wir es in einem der warmen Becken und beobachten den Dampf des Schwefelwassers.
An einem anderen Tag besuchen wir die Webkooperative Trama Textiles. Die Webkooperative, so wie viele andere auch, wurde im Jahr 1988 während des Bürgerkrieges in Guatemala gegründet. Zu dieser Zeit hatten viele Frauen ihre Väter, Männer und Söhne im Krieg verloren und mussten andere Wege finden, ihre übriggebliebenen Familienmitglieder über die Runden zu bringen. Die indigenen Frauen sprachen zudem kaum spanisch, waren Analphabeten und hatten keine Ausbildung, so dass es für sie schwierig war, einen Job zu finden. Mit Hilfe ausländischer Hilfsorganisationen schlossen sich diese Frauen zu Webkooperativen zusammen, um mit ihren auf traditionelle Maya-Art handgemachten Produkten ein faires Einkommen für ihre Familien zu erzielen. Ausserdem konnten auf diese Weise kulturelle Traditionen erhalten und weiterentwickelt werden. Heutzutage sind der Kooperative 400 Frauen aus 17 verschiedenen indigenen Gruppen aus 5 Regionen Guatemalas angeschlossen.
Es ist Fastenzeit, Zeit um Busse zu tun. Freitags, Samstags und Sonntags ziehen lange Prozessionen stundenlang durch die Avenidas und Calles der Stadt. Riesige, religiöse Bildnisse werden von den Büssern mit viel Pompom, Musik und Weihrauch durch die Stadt getragen. Dass damit der Strassenverkehr erheblich gestört wird – wir haben es an unserem ersten Tag in Xela persönlich miterlebt – nehmen beide Seiten geduldig in Kauf.
Am Rande des Dorfes San Andrés Xecul dürfen wir einer Maya-Feuerzeremonie beiwohnen. Es ist eine verrusste Halbhöhle, ein Heiliger Ort der Mayas. Zeremonien und Rituale dienen dem Zweck, mit der geistigen Welt in Verbindung zu treten. Die Gaben, die in einer Maya-Feuerzeremonie verbrannt werden, dienen in erster Linie dem Dank für das Leben und seine Geschenke. Da die ganze Welt als beseelt angesehen wird, werden vor allem auch die Naturkräfte angerufen.
Während der Zeremonie überreicht uns die Schamanin farbige Kerzen, in die wir unsere Gedanken, Gebete und Absichten legen sollen. Jede Farbe repräsentiert bestimmte Ideale.
– Weiss: Norden – Reinheit, Licht, Liebe, Ruhe und Gelassenheit
– Gelb; Süden – Lebensenergie, Gesundheit, Schutz
– Rot; Osten – Liebe, Leidenschaft, Energie um Traurigkeit zu nehmen. Das Element Feuer ist ein Aktivator und Katalysator
– Blau; Himmel, Regen, Glück, innere Vision und Offenbarungen unserer Träume
Wenn wir anschliessend die Kerzen ins Feuer legen, wird die Energie an den Himmel abgegeben, um von den Göttern empfangen zu werden.
Wieviel Spanisch wir in den 3 Wochen gelernt haben und ob sich der Aufwand gelohnt hat, wird sich zeigen. Auf jeden Fall müssen wir noch tüchtig Wortschatz üben. Aber allein schon all die Geschichten und Informationen über die indigene Bevölkerung, direkt von einer Maya, haben den Aufwand gelohnt.
Froh, dem Stadtleben zu entfliehen, machen wir uns auf den Weg zu Max und Marion am Lago de Atitlán. Auch die beiden haben ihre Spanischstudien erfolgreich abgeschlossen und wir geniessen zusammen noch ein paar Tage in der grünen, ruhigen Natur. Es ist ein wunderbarer Kontrast zur staubigen, grauen Stadt. Auf dem Weg an den See befahren wir zum ersten Mal einen Teil der Panamericana.
Der Atitlán-See im Herzen des Hochlandes von Guatemala ist mit 340 Metern der tiefste See Mittelamerikas. Kleine, farbenfrohe Städte liegen an den Ufern des türkisfarbene, hoch gelegene See, der von Vulkanen eingefasst ist. In der Ferne erkennen wir den Vulkan Fuego. Am Tage stösst er regelmässig dunkle Aschewolken aus. In der Nacht können wir seine glutrote Feuerstelle erkennen.
Eine kurze Bootsfahrt bringt uns nach San Juan La Laguna. Ein kleiner Schock erwartet uns ab der Anlegestelle. Anstelle des erwarteten farbenfrohen Maya-Städtchens, erwartet uns ein Mekka für Touristen. Steil führt der Weg hinauf in den Ort, gesäumt von Ständen mit Kleidern und Souvenirs. Was bleibt sind die bunten Stoffe der Mayafrauen und eine Strasse mit schönen Murals, Wandmalereien.
San Pedro La Laguna ist die nächste Stadt gegenüber von San Juan. Sie ist die Heimat der niedrigsten Preise am Atitlán-See, was es zu einem beliebten Ort für Rucksacktouristen macht. Bei guten Unterkünften, ausgezeichnetem Essen und einem wilden Nachtleben ist es nicht verwunderlich, dass viele Rucksacktouristen wochen- oder monatelang in San Pedro festsitzen!
Und dann ist da noch San Marcos La Laguna, bekannt als die Hippie-Stadt am Atitlán-See. Der Atitlán-See ist bekannt für seine mystische Anziehungskraft, und die Anziehungskraft ist in San Marcos am stärksten und zieht eine Hippie-Gemeinde an. Man kann ziemlich genau herausfinden, wer im Boot nach San Marcos fährt, basierend darauf, was er trägt!
Während uns die Natur am See mit all seinen schroff aufsteigenden, grünen Vulkanen äusserst gut gefällt, schrecken uns die vielen Gringos ab, die sich hier für kleines Geld niederlassen und die Dörfer bevölkern. Dies ist nicht das liebliche Guatemala, das Land der Mayas, das wir in Quetzaltenango kennengelernt haben.
Auf dem Mirador Chuich ok’ok› verabschieden wir uns von Lake Atitlán. Eine zweitägige Fahrt auf der Carretera Panamericana soll uns über Huehuetenango zurück an die mexikanische Grenze bei La Mesilla bringen. Kurz hinter Huehuetenango wird die Strasse immer schlechter. Tiefe Löcher im Belag, sogenannte Potholes, verlangen allergrösste Aufmerksamkeit von den Fahrern. 25 km vor der Grenze steht plötzlich alles still. Die Chicken Busse – der öffentliche Verkehr – laden ihre Passagiere aus und wenden. Mit Fahrzeugen scheint es kein Durchkommen zu geben. 90 Minuten später rollt der Verkehr wieder. Eine Gruppe hatte in Dorf die Panamericana blockiert und irgendwelche Entschädigungen vom Staat gefordert. Ohne weitere Zwischenfälle passieren wir die Grenze und lassen uns im nahen Lago de Colón für die Nacht nieder.
In den vier Wochen durften wir als Ausländer die wunderschöne, magische Welt des indigenen Guatemalas etwas kennenlernen und sind fasziniert von der wunderschönen Flora und Topographie, verzaubert von der atemberaubenden traditionellen Kleidung und dem Gesang der Marimba, fasziniert von den Handarbeiten und gefesselt von den noch immer aktiv gesprochen Maya-Sprachen. Wir haben das Glück, dass die Menschen in Guatemala so offen und einladend sind und bereit sind, ihre Kultur mit uns zu teilen! Wir kommen gerne wieder.