30. August bis 30. September 2025
Die ersten Tage in Peru lassen wir im Strandcamping Swiss Wassi die Seele baumeln. Es gilt noch den letzten Blog fertigzustellen und die Route durch Peru grob zu planen. Das stellt sich für das drittgrößten Land Südamerikas als gar nicht so einfach heraus. Da hilft zwischendurch der weite Blick über das Meer.
Doch dann machen wir uns auf, Peru zu entdecken. Die Gegend wirkt sehr trocken. Bäume und Büsche warten auf die Regenzeit, die bald kommt. Gut für die Vegetation und die Bewohner, schlechter für uns. In Mancora kaufen wir unsere Sim Karten für Peru und müssen uns dafür registrieren lassen. Eine Unterschrift auf das Dokument reicht dabei nicht aus, zusätzlich wird auch ein Fingerabdruck gefordert.
Noch frisches Obst und Gemüse einkaufen und schon geht es weiter. Kaum ein Busch und schon gar kein Grün zieren die Landschaft. Die Panamericana zwängt sich durch steinig staubige Hügel, erst dem Meer entlang, dann in weiten Kurven auf eine Hochebene. Die Mondlandschaft wird nur unterbrochen durch die rhythmischen Bewegungen von Oelpumpen, die hier überall in der Wüste stehen. Unglaublich viele. Dann öffnet sich neben uns die Ebene und wir blicken tief in ein grünes Tal.
Aber nicht nur Grün ist zu sehen, auch hässliche Kamine und Tanklager. Wir sind in Talara angekommen, der Hauptstadt von Petroperu. Aber es sind nicht Tanklaster, die das Strassenbild beherrschen, sondern wiederum die Tuk Tuks, die aus jeder Ecke schiessen.
Natürlich ist das nicht unser Ziel. Vorbei an einem grossen Salzsee fahren wir weiter in die Sanddünen nach Punta Pariñas, auch Punta Los Balcones genannt. Diese Landzunge mit den Koordinaten 4°40′58″S, 81°19′43″W ist der westlichste Punkt des südamerikanischen Festlands. Marcel kann es nicht lassen zum Markierungspunkt hochzuklettern und weit in die Ferne Richtung Papua Neuguinea zu schauen. Erkennen kann er es nicht, dafür die vielen Oelplattformen, die hier im Meer stehen.
Am Morgen räkelt sich eine Robbe auf dem Felsen hoch über den aufspritzenden Wellen. Will er seinem Harem imponieren oder macht er den Yoga Sonnengruss?
Wiederum versinken wir scheinbar in den grauen Sanddünen der Wüste, nur selten unterbrochen von einer Ansiedlung. Während uns die asphaltierte Strasse durch die Wüste leitet, schaffen wir es tatsächlich uns in den engen Gassen eines Dorfes zu verirren. Wer weiss, vielleicht haben sie uns beobachtet. Als wir auf der nächsten Anhöhe einen Fotostopp einlegen, steht plötzlich die Polizei neben uns. Der freundliche Polizist will uns bis in die nächste Stadt vorfahren. Leider müssen wir bald an eine Tankstelle und so verlieren wir unseren Geleitschutz.
Die Lagune von Ñapique ist eine wunderschöne Süßwasserlandschaft, mitten in der trocken unwirtlichen, staubigen Wüste. Ihre Wassermenge hängt direkt vom Infiltrationsprozess des Wassers aus dem Fluss Piura ab. Im Sommer erhöht der Niederschlag in diesem Teil des Landes ihre Wassermenge erheblich. Durch den Bau eines Staudamms wäre sie jedoch beinahe für immer ausgetrocknet. Durch Interventionen von Fischern und Bauern wimmelt es in dem ruhigen Gewässern wieder von Meeräschen, Karpfen, Chapalos und Forellen, während zwischen den Pflanzen an ihren Ufern Vögel verschiedenster Arten ihr Futter finden. Leider ist es zu früh für die Flamingos, die hier saisonal anzutreffen sind. Wir freuen uns aber auch an Silberreihern, Möven, Plovern und Rallen, die ein Karakara Paar immer wieder mal aufscheucht. Unser spezielles Interesse gilt aber den Ibisen. Mitten in den weissen entdecken wir einen schwarzen Puna Ibis. Später fliegt auch noch ein Paar Schwarzzügel Ibise an.
Die staubige Piste weg von der Lagune erinnert uns stark an Szenen in Namibia. Im weissen Sand links und rechts stachlige Büsche, die trotz Trockenheit ihre feinen, grünen Blätter bewahren. Fast erwarten wir, dass nach der nächsten Kurve ein Elefant, Zebra oder eine Giraffe am Wegrand steht.
In Sechura gibt es wieder Asphalt unter die Räder, der uns zurück an die Pazifikküste bringt. Hier gibt es viele Fischfabriken, in denen vorwiegen Fischmehl hergestellt wird. Peru war da in den 1970er Jahren Exportweltmeister, vorwiegend nach China. Erstaunlich viele Fischkutter stehen jedoch an Land in den Werften. Ob dies eine Auswirkung der Überfischung ist? Auf jeden Fall werden noch weitere benötigt und die werden hier gebaut, aus Holz.
Die bestens ausgebaute Antigua Carratera Panamericana Norte bringt uns quer durch die Illescas Halbinsel und die fast ausgetrocknete Lagune La Niña schnurgerade wieder ins Landesinnere. Weit neben der Strasse machen wir rege Geschäftigkeit aus. Es sind die Minen von Bayóvar, in denen fleißig nach Phosphat gebuddelt wird. Phosphat haben wohl die schweren Lastwagen in ihren bunten Säcken, die teilweise waghalsig auf der Ladefläche aufgeschichtet sind. Da versuchen wir dann schleunigst zu überholen, denn so einige Säcke liegen bereits am Strassenrand.
Nördlich von Chiclayo besuchen wir unsere erste archäologische Stätte in Peru, die Pyramiden von Túcume. Dieser Komplex birgt Geschichten und Geheimnisse, die mehr als tausend Jahre zurückreichen. Túcume war ein elitäres städtisches Zentrum der Lambayeque-Kultur, in dem die politische, religiöse und soziale Macht der Region konzentriert war. Die insgesamt 26 Pyramiden aus ungebrannten Lehmziegeln dienten in ihrer Blütezeit als Residenz für Persönlichkeiten von höchstem politischem und religiösem Rang. Túcume wurde um 1532, zeitgleich mit der Ankunft der spanischen Konquistadoren, aufgegeben. Damit waren die Lambayeque die letzte Zivilisation der Welt, die Pyramiden baute. Doch seine Pyramiden blieben erhalten und trotzten jahrhundertelanger Vernachlässigung, auch wenn sie heute eher erodierten Hügel gleichen. Vom Aussichtspunkt aus können wir jedoch die geometrischen Strukturen der Gebäude gut erkennen.
Für unser nächstes Ziel fahren wir einmal quer durch Chiclayo. Manövrieren im dichten Tuk Tuk Verkehr beginnt richtig Spass zu machen, vor allem beim Linksabbiegen oder Einmünden mit überqueren der zweispurigen Gegenfahrbahn. Marcels Devise «jetzt bin ich einmal an der Reihe» funktioniert auch hier und wird immer mit einigem Hupen belohnt. Dann sind wir auch schon wieder raus aus der Stadt.
Die präkolumbianische Zivilisation in Südamerika waren für uns immer die Inkas, wohl weil sie zum Zeitpunkt der spanischen Invasion das dominierende Reich in der Region waren. Eine Grafik im Museum der Königsgräber von Sipán leert uns aber, dass das Inkareich selbst nur knapp hundert Jahre bestand. Davor wurden die Gebiete Perus schon von teilweise langlebigen Kulturen der Moche, Lambayeque, Nazca, Chachapoyas, Cimuú und andern bewohnt.
Sipán, wo wir gerade sind, blühte zwischen 200 und 600 n. Chr. als kulturelles und spirituelles Zentrum der Moche-Kultur. Viele der Stadtoberen, ob weltlich oder geistlich, wurden in Hügeln neben großen Lehmziegelpyramiden bestattet. Im Gegensatz zu vielen präkolumbischen Stätten in Amerika waren die Moche-Gräber mit ihren unbezahlbaren Gold- und Silberschätzen für mehr als 1400 Jahre verloren und vergessen. Obwohl in diesem Gebiet ständig geplündert wurde, blieben die Gräber intakt, bis sie 1987 vom Team peruanischer Archäologen entdeckt wurden. Eines davon enthielt die Überreste von niemand anderem als dem Herrn von Sipán, einem alten Moche-Herrscher aus dem 3. Jahrhundert. Als interessanteste der öffentlich zugänglichen Gräbern ist es gefüllt mit Nachbildungen der Gerippe, der goldenen Fundstücke sowie Grabgefäßen, die einst Speisen für die Toten für das Leben nach dem Tod beinhalteten.
Wir verlassen das staubige Dorf Sipán. Auf einer frisch asphaltierten Strasse fahren wir mitten durch scheinbar endlose Zuckerrohrfelder. Wer will nur all diesen Zucker schlecken oder den Rum trinken? Die Felder bleiben, aber die Strasse wird erst zur Schotterstrasse, dann zum Feldweg. Schließlich finden wir uns in einem ausgetrockneten Flussbett wieder. Glücklicherweise findet sich ein Ausweg in ein kleines Dorf und endlich zurück auf die Hauptstrasse. Ob wir uns in Peru wohl weiterhin auf unsere zwei verschiedenen Navigationssystemen verlassen können?
Überraschungen folgen heute auf Schritt und Tritt. Als wir um den nächsten Hügel biegen, leuchten unten am Río Chancay wohlgeschwungene Reis Terrassen im schönsten Grün. Die haben wir hier nicht erwartet. Es wird mit der Maschine geackert und geentet, aber von Hand gesetzt. Die wogenden Felder begleiten uns in die Höhe, solange wir dem Wasser folgen. Irgendwo muss der Reis ja wachsen, hat Peru doch den grössten Reiskonsum in Lateinamerika mit durchschnittlich 54 kg pro Person. In der Schweiz konsumieren wir gerade mal einen Zehntel davon.
Dreimal ist Rocky mit uns hochgeklettert, teils bis fast 3’000 Meter, dreimal wieder hinunter ins Tal. Dann kommen wir im Departement Amazonas an. Auch hier im Tal des Rio Utcubamba wird Reis angebaut. Wir finden ein Plätzchen an der Lagune Burlan, einem beliebten Ausflugsziel der Einheimischen und geniessen erst mal die Ruhe. Ein Ausflugsziel für viele Einheimische. Wir haben Glück, denn am Wochenende tobt hier der Bär. Jetzt, während der Woche, können wir die Natur am idyllischen See genießen.
Cocachimba liegt etwas in den Bergen abseits vom grossen Touristenstrom. Schön zurecht gemachte Häuser, bemalt mit Vögeln und Tieren aus der Gegend säumen die Strassen. Nur leider ist das Dorf gerade eine einzige Baustelle. Fast alle Stassen sind aufgerissen, es wird eine neue Kanalisation gebaut. Wir dürfen trotzdem am Rande des Fussballfelds campen, vor der Baustelle für das neue Gemeindezentrum.
Früh am Morgen geht sie los, unsere Wanderung zum Catarata Gocta. Der 771 m hohe Gocta-Wasserfall mit seinen zwei Kaskaden ist einer der höchsten der Welt. Irgendwie ist er der Aufmerksamkeit der peruanischen Regierung, der internationalen Entdecker und den Satellitenbildern entgangen, bis ihn 2002 eine Expedition zur Kartierung der Wasserfälle entdeckte. Natürlich wussten die Einheimischen in Siedlungen rund um den Wasserfall schon immer davon, ist er doch vom Dorf Cocachimba aus deutlich sichtbar. Sie gaben jedoch das Geheimnis nie preis, weil einer Sage zufolge eine schöne blonde Meerjungfrau sie verflucht hätte, wenn sie der Welt verraten hätten, wo der Wasserfall ist.
Der schön gestaltete Weg führt uns in den Talkessel, vorbei an moosbehangenen Bäumen. Wolken von farbigen Schmetterlingen fliegen auf, Scharen von Papageien fliegen über den Regenwald. Etwas außer Puste ob der vielen Auf und Abs, kommen wir am Fuss der unteren Kaskade an. In der grünen Umgebung ist die Gewalt des stürzenden Wassers noch beeindruckender.
Auf dem Rückweg vernehmen wir die Stimme eines Vogels, die uns bekannt vorkommt. Es muss ein Andenfelsenhahn sein, der sich übt, mit seiner Melodie den Weibchen zu gefallen. Nach einigem Suchen können wir zwei der aussergewöhnlichen roten Vögel im dichten Wald erkennen. Was für ein Glück. Glücklich sind wir auch, als wir nach rund sieben Stunden müde und mit schmerzenden Beinen wieder zurück bei Rocky sind.
Chachapoyas, die Stadt am Rande des peruanischen Amazonasgebiets, ist nicht der meistbesuchte Ort des Landes. Ihr historisches Zentrum mit der hübschen Plaza und die gepflasterten Fußgängerzone ist aber sicher ein Besuch wert. Und auf den obligatorisch bunten Mercado Publico können wir unsere Vorräte an Früchten und Gemüse wieder aufstocken. Schwierig ist, wie immer in Peru, die Wahl der Kartoffeln, da so unglaublich viele Sorten angeboten werden. Auf unsere Frage, welche denn für Rösti am besten wären, zeigt die Marktfrau ganz eindeutige auf die grosse braune mit wenig Augen.
Die Stadt und die gesamte Gegend erhielten ihren Namen nach der Chachapoya-Kultur, einer Zivilisation, die vom 6. Jh. bis um das Jahr 1493 in der Region florierte, als die Inkas das Gebiet eroberten und seiner Abgeschiedenheit ein Ende setzten. Chachapoya bedeutet in der Quechua-Sprache Nebelwald und die Menschen, die in dieser Gegend lebten, waren als „Wolkenmenschen» oder „Nebelkrieger» bekannt. Da Chachapoyas 2’335 Meter über dem Meeresspiegel liegt und von Wäldern umgeben ist, in denen heiße und kalte Temperaturen aufeinandertreffen und das Wasser verdunstet, ist schnell zu verstehen, dass der Ort keinen passenderen Spitznamen bekommen könnte.
In Wolken hüllen sich auch die Berge, als wir mit der Gondelbahn erst steil hinunter zum Fluss und dann beinahe senkrecht den baumlosen Hügel hinauf gleiten. Ein schmaler, leicht ansteigender Pfad ist gut gepflegt und weckt die Vorfreude auf das, was wir sehen werden. Schon erhebt sich vor uns die kolossale Mauer, die die antike Stadt Kuélap schützt. Die Siedlung hoch in den Bergen stammt aus dem 6. Jahrhundert und gilt als eines der Meisterwerke der Chachapoya-Kultur. Die Stadt florierte bis zur Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert. Drei Jahrhunderte später wurde der Ort zufällig wiederentdeckt.
Für ihre Bauten verwendeten die Chachapoya ausschließlich runde Formen, deren Mauerwerk sie mit fein gearbeiteten, zickzack- und rautenförmigen Friesen verzierten. Auch wenn nur Überreste der mehr als 400 Gebäuden erhalten sind, haben einige dieser Verzierungen die Jahrhunderte überdauert. Die Häuser in Kuélap waren mehrere Meter hoch, um große Familien, Tiere und Tote unterzubringen. Ja, die Chachapoya lebten mit ihren Toten. Sie glaubten fest an die postmortale Welt und dank des Kauens von Kokablättern konnten sie mit den Toten sprechen, die sie in ihren Häusern aufbewahrten.
Der Besuch in Kuélap vereint geschichtliche, architektonische und natürliche Schönheit. Verschiedene Bäume wachsen in den Ruinen und rundherum, von denen viele mit Epiphyten bedeckt sind. Die wunderschöne Landschaft und der Blick tief hinunter ins Tal rundet das Erlebnis ab. Wir nehmen uns Zeit, die mystische Atmosphäre der Wolkenmenschen aufzusaugen.
Viele Wege führen nach Cajamarca. Wir nehmen nicht den direkten, da über eine Strecke von 142 km eine nur einspurige Strasse mehrheitlich hoch über dem Tal in steilen Hängen führt. Für uns etwas zu viel Adrenalin. Da fahren wir lieber aussen herum, auch wenn wir den grösseren Teil schon von der Hinfahrt kennen.
Irgendwo sehen wir am Strassenrand eine Gruppe Motorradfahrer und Tuk Tuks, die auf irgendwas zu warten scheinen. Nach der nächsten Kurve wird uns klar warum: Polizeikontrolle. Das Einzige, was sie sehen wollen, ist die SOAT, die obligatorische Verkehrsversicherung. Kein Problem für uns, schnell dürfen wir weiter. Und hinter der nächsten Kurve sehen wir am gegenüberliegenden Strassenrand eine Gruppe Motorradfahrer und Tuk Tuks, die auf irgendwas zu warten scheinen.
Die für uns neue Strecke von Cochabamba nach Cajamarca lässt uns wieder einmal dünnere Luft schnappen. Die weite, karge Hochebene der Lagunas de Alto Peru liegt auf 4’000 Meter und lässt nicht erahnen, dass im Auf- und Abstieg der Erde massive Wunden zugefügt werden. Zwei Tagbaufirmen graben dort nach Gold und Kupfer. Die Yanacocha ist gar die größte Goldmine Südamerikas. Wieviel die lokale Bevölkerung von den Minen profitiert erkennt man schon daran, dass die nationale Durchgangsstrasse über den Pass streckenweise in miserablen Zustand ist, obwohl die Minen darüber versorgt werden.
Im Jahr 1532 nahm Marquis Francisco Pizarro an der Stelle, wo sich heute die Plaza de Armas von Cajamarca befindet, den Inka Atahualpa gefangen, der sich geweigert hatte, sich der spanischen Krone und dem christlichen Glauben zu unterwerfen. Im Austausch für seine Freilassung bot er eine ganze Kammer in der Stadt mit Gold und zweimal mit Silber zu füllen, was über ein Jahr dauerte. Rund 6’000 kg Gold und 12’000 kg Silber wurden daraufhin zu Barren gegossen. Nach heutigen Maßstäben müssen diese etwa 640 Mio. Euro wert gewesen sein. Unermesslich dagegen war der künstlerische Wert der Ornamente und anderer Inka-Gegenstände, die dafür eingeschmolzen wurden.
Allerdings hatte Atahualpa den Verdacht, dass ihn die Spanier noch nicht freilassen würden. Deshalb schickte er heimliche Botschaften an seine Anhänger nach Quito und bat darum, ihn zu befreien. Die Spanier fingen die Nachrichten ab und verurteilten Atahualpa zum Tode. Am 26. Juli 1533 wurde er zum Hauptplatz von Cajamarca gebracht, wo man ihm mit dem Feuertod drohte, falls er sich nicht taufen ließ. Im Angesicht des Scheiterhaufens akzeptierte Atahualpa dieses „Angebot», woraufhin seine Strafe abgemildert wurde: Nun hängte man ihn auf.
Auch wir hatten unsere Begegnung in Cajamarca, aber eine der positiven Art. Auf dem Campingplatz treffen wir Franziska & Beat aus dem Berner Seeland Schweiz und Helga & Rainer aus Stuttgart. Die beiden Paare fahren von Süd nach Nord und so gibt es einiges zu berichten. Abends sitzen wir um das Lagerfeuer, grillen eine Bratwurst und wärmen uns. Zusammen besuchen wir die koloniale Stadt, die grüne Plaza des Armas, den Markt, trinken einen Kaffee und gehen die geschwungenen Stufen hoch zur Capilla Nuestra Señora De Fátima. Von Atahualpa gibt es nichts mehr zu sehen ausser dem Gebäude, in dem er das Gold und Silber für seine Freilassung sammelte.
Als der Spanier Pizarro 1532 in Cajamarca eintraf, war die Stadt beinahe menschenleer. Die meisten der 2000 Bewohner hielten sich mit Atahualpa an den heißen Quellen in Baños del Inca auf, nur 7 km vor der Stadt. Der damalige Luxus-Kurort war eine Residenz der hohen Hierarchie, in dem sich der Inka Atahualpa gerne von den Strapazen seiner Schlachten erholte. Heute ist es ein Touristenzentrum, das Thermalbecken, Saunen, Massagen und andere therapeutische Dienstleistungen anbietet. Das Wasser aus unterirdischen vulkanischen Quellen erreicht Temperaturen von 70-75 °C und ist für seine heilenden Eigenschaften bekannt ist, insbesondere bei Gelenk- und rheumatischen Beschwerden. Wir fühlen uns frisch erholt und entspannt, und so reicht uns eine Besichtigung des geschichtsträchtigen Ortes.
Nur ein paar Kilometer weiter besuchen wir die archäologische Stätte Las Ventanillas de Otuzco, ein Friedhof der Cajamarca-Kultur (200–800 n. Chr.). In eine lange Wand aus Vulkangestein sind über 370 Nischen oder offene Gewölbe gehauen. Ihre Eingänge sind rechteckig und 50 bis 60 Zentimeter hoch. Einige der Nischen sind bis zu 10 m tief, während andere nicht groß genug sind, um ein vollständiges Skelett aufzunehmen. Es wird darum angenommen, dass die Leichen zunächst im Boden begraben wurden und nach einiger Zeit einige Knochen und Schädel in die Fenster gebracht wurden, möglicherweise zur Verehrung. Anschließend wurden sie zugemauert, sodass heute nur noch die Löcher zu sehen sind, nachdem spanische Invasoren auf der Suche nach vergrabenen Reichtümern sie aufgebrochen und geschändet hatten.
In Cumbomayo liegt eine natürliche Felsenlandschaft mit speziellen Steinstrukturen. Wir sind gespannt, wieviel Figuren, Feen und Zwerge wir dort entdecken können. Als Zugabe führt durch die Felsen der älteste von Menschenhand geschaffene Steinkanal Amerikas, der als einen der ältesten der Welt bekannt ist. Das Aquädukt ist schätzungsweise über 3500 Jahre alt und war für seine Zeit ein monumentales Bauwerk.
Aber daraus wird nichts, als wir oben an den Serpentinen in Cajamarca ankommen, steht eine Frau mit Helm mitten in der Strasse und zeigt uns ihr «Pare» Schild. Stopp, die Strasse nach Cumbomayo ist gesperrt, kein Durchkommen vor 17 Uhr. Dann eben nicht. Enttäuscht kehren wir um.
Eine Tagesreise weiter südlich haben wir eine weitere Ruinenstadt Marcahuamachuco entdeckt, die, wie auch Kuélap, öfters das Machu Picchu des Nordens genannt wird. Diese Stätte wurde zwischen dem 5. und 10. Jahrhundert von der Huamachuco-Kultur erbaut und liegt auf einem imposanten, 3.5 Kilometer langen Plateau auf über 3’600 Metern.
Doch da müssen wir erst einmal hinauf. Die letzten 250 Höhenmeter auf 3.6 km haben es in sich. In engen Serpentinen windet sich der schmale Erdweg am steilen Abhang hoch. Ausweichen unmöglich, wenden erst recht nicht. Die einzige Möglichkeit ist weiter den Berg hinauf und hoffen, dass keiner entgegenkommt. Auf den letzten 100 m steht dann auch noch ein Fels so fest in den Weg, dass wir hart am Rand durchzirkeln müssen. Selbstverständlich ist gerade hier die Fahrbahn extrem uneben, sodass Rocky heftig schaukelt. Dann haben wir es geschafft – und sind geschafft.
Nachdem unser Adrenalinspiegel wieder einen normalen Wert erreicht hat, machen wir uns auf zu den Ruinen. Obwohl es verschiedene Theorien über seine Funktion gibt, geht die am weitesten verbreitete Interpretation davon aus, dass Marcahuamachuco ein Zeremonien- und Pilgerzentrum war, in dem verschiedene Gemeinschaften zusammenkamen, um ihre Vorfahren und Schutzgottheiten anzubeten.
Es gibt einige Gebäudekomplex, von denen mehr als nur die Fundamente recht gut erhalten sind. Falls diese renoviert/konserviert worden sind, so ist es sehr sanft erfolgt. Das größte Gebäude des gesamten Komplexes ist das Castillo mit geschwungenen Wänden von bis zu 11 m Höhe. Ausgrabungen brachten im Inneren Galerien mit bis zu fünf Ebenen zum Vorschein. Monumental ist das West Tor. Dieser 3,5 Meter breite Eingang mit fast 4 Meter hohen Mauern besticht durch seine präzise Konstruktion. Die Mauern wurden mit abwechselnd angeordneten Steinblöcken verstärkt, was die Technik des alten Huamachuco-Volkes widerspiegelt. An eindrücklichsten für uns sind jedoch fünf runden Gebäude im Gebiet Las Monjas mit bis zu drei Stockwerken. Man geht davon aus, dass es sich dabei um Wohnhäuser der lokalen Elite handelte. Aufgrund ihrer geschlossenen, fensterlosen Atmosphäre vermuten einige Forscher jedoch, dass es sich um rituelle Klöster handelte, die der Sonnenverehrung gewidmet waren.
Nach fast drei Stunden sind wir zurück bei Rocky. Die herausfordernde Anfahrt hat sich gelohnt. Wenn wir nur schon wieder unten wären. Aber das gehen wir morgen an.
Nach einer etwas angespannten Nacht ist uns der Abstieg geglückt. Es ging entspannter als erwartet und wieder ohne Gegenverkehr. Schon gestern haben wir riesige Tagbaugebiete gesehen, heute fahren wir um Abräumhalden herum. Die Behauptung, dass die Lambayeque die letzte Zivilisation der Welt war, die Pyramiden baute, muss revidiert werden. Hier werden ganze Berge versetzt, um Gold abzubauen. Auf der einen Seite wird gesprengt und abgebaut und auf der anderen Seite ein neuer pyramidenförmiger Berg aufgeschichtet.
Wir überwinden 4’200 Meter und werden überrascht. Haben wir gerade noch in weitester Entfernung einen schneebedeckten Gipfel der Cordillera Blanca entdeckt, stehen wir plötzlich selbst im Schnee. Was aus Distanz aussah wie Kalk, entpuppt sich als Neuschnee. Die Peruaner halten auf der Strasse an, um mit der weissen Pracht Selfies zu machen. Andere bauen sogar einen Schneemann und haben Riesenspaß daran.
Mitten im Schnee zeigt sich ein eigenartiges Dorf. Flache Wellblechhütten, die eher Unterständen gleichen, stehen weit verteilt im Gelände. Gleich daneben liegt meist ein grosser Kieshaufen. Der ganze steile Abhang ist übersät davon. Hier leben private Goldsucher, Glücksritter wie einst am Klondike, meist unter prekären Bedingungen, viele davon illegal. Ob ihnen das Glück hold ist? Schwere, vollbeladene Lastwagen transportieren irgendetwas ab und haben tiefe Spurrillen in den Asphalt gegraben, in denen Rocky um die Kurven dirigiert wird. Keine ungefährliche Angelegenheit.
Gefährlich gelb-orange leuchtet auch das Wasser des Rio Moche und seinen kleinen Zuflüssen. Die mangelnde Entsorgung und die Einleitung von Abfällen aus dem illegalen Bergbau verschmutzen den Fluss mit Schwermetallen und anderen giftigen Substanzen. Da das Wasser des Moche-Flusses zur Bewässerung genutzt wird, wirkt sich seine Verschmutzung direkt auf den Anbau und die Viehzucht der Gemeinden aus, die davon abhängig sind. Obwohl sie kaum Vorschriften einhalten, bemühen sich die Bergbautreibenden um eine legale Registrierung und Lizenzierung, stoßen dabei jedoch auf erhebliche Hindernisse.
Seit Urzeiten verwenden die Fischer von Huanchaco ihre Caballitos, die Boote aus Totora-Schilf. Sie fahren weit hinaus aufs Meer, wo die Fische beißen, und surfen einige Stunden später mit ihrem Fang zurück, verkaufen ihn direkt am Strand und stapeln ihre Caballitos dann zum Trocknen am Strand entlang.
Um die 3 bis 4 Meter langen Boote zu bauen, wählen die Fischer sorgfältig das längste und stärkste Totora-Schilf aus, trocknen es in der Sonne und binden es dann fest mit Seilen aus Naturfasern zusammen, wodurch die längliche, konische Struktur entsteht. Die modernen Caballitos haben allerdings Füllungen aus Styropor, was ihnen besseren Auftrieb verleiht. Das Caballito de Totora wird mit einem halbierten Bambusrohr gepaddelt. Die Fischer sitzen rittlings auf dem Boot, ähnlich wie ein Reiter, daher auch der Name „Caballito“ (kleines Pferd). Diese einzigartige Technik sorgt für bessere Balance und Kontrolle im Wasser.
Viele glauben, dass diese Boote die Vorläufer des Surfens gewesen sein könnten, da die Fischer auf dem Rückweg zum Ufer geschickt über die Wellen gleiten, ähnlich wie moderne Surfer.
Die Plaza de Armas vom Trujillo wird von vielen farbenfrohen Gebäuden gesäumt, die ockergelbe Kathedrale Basilica Menor, die himmelblaue Trujillo Charity Gesellschaft, das braunrote Hotel del Sol, der schneeweißen Palacio Municipal und einige mehr. Mitten im Platz das Freiheitsdenkmal namens La Libertad. Filigrane gusseiserne Geländer, die die Straßenfenster bedecken, gehören zum markantesten Merkmal der Architektur Trujillos. Traditionell weiß gestrichen, leuchten sie strahlend vor den vielfarbigen Pastelltönen der Gebäude im Stadtzentrum. Trujillo ist trotz seiner Größe eine malerische Stadt. Die eigentliche Attraktionen sind aber nicht die stillvollen Kolonialhäuser, sondern mehrere Ruinen, die in der Umgebung verstreut liegen.
Chan Chan, die größte Lehmziegelstadt der Welt, war die Hauptstadt des Chimu-Volkes (900 bis 1470 n. Chr.), das bis zur Eroberung durch die Inka die Nordküste von Lima bis zur ecuadorianischen Grenze kontrollierte. Interessanterweise gibt es in dem Komplex neun gleichberechtigte Paläste und nicht nur einen Hauptpalast. Starb der König, zog offenbar kein neuer König in den alten Palast ein, sondern baute einen neuen. Chan Chan war auch eine große Begräbnisstätte, da die Chimu Tiere und Menschen opferten. Außerdem wurden nach dem Tod des Königs alle seine Frauen vergiftet und in der Anlage begraben. Die Stadt wurden in den ersten Jahrzehnten der spanischen Eroberung geplündert und sie verfiel.
Chan Chan liegt an der Küste Nordperus, wo ein warmes und trockenes Klima herrscht. Deshalb schien die Verwendung von getrockneten Lehmziegeln als Baumaterial in der Vergangenheit eine gute Idee zu sein. Doch die Kombination aus Klimawandel, verheerenden Überschwemmungen und insbesondere dem El-Niño-Phänomen führte dazu, dass die Pracht der Paläste sich in etwas verwandelten, das wie ein grosser Schlammhaufen aussieht.
Nur einer der königlichen Paläste, den Nik-An, wurde restauriert. Hier führen mit Gummimatten ausgelegte Pfade die Besucher an langen Wänden aus Lehmformen vorbei, auf denen Seeotter, Fische, Wellen, Seevögel und der Mond abgebildet sind – alles Symbole mit religiöser Bedeutung für die Chimu. Über den Grad der Restaurierung kann man sich streiten. Vielleicht wurde hier auch etwas überrenoviert. Wie der Palast einmal ausgesehen hat, kann man sich trotzdem nicht vorstellen.
Wir laufen quer durch erodierte Landschaft zum Museum, vorbei am Huaca Toledo, einem mehr als zwanzig Meter hohes und neunzig Meter langen Stufengebäude. Nebst einigen Ausgrabungsstücken ist vor allem das dreidimensionale Modell des Chan Chan Komplexes interessant.
8 km südöstlich von Trujillo treffen wir wieder auf die Moche-Kultur, die wir bereits in Sipán kennengelernt haben. 1990 wurden in der Huaca de la Luna, der kleinere von zwei Tempelplattformen, vielfarbigen Reliefs entdeckt. Der Tempel besteht eigentlich aus fünf übereinanderliegender Bauten, die über sechs Jahrhunderte hinweg errichtet wurden. Wurde ein Tempel nicht mehr genutzt, errichteten die Moche einfach einen neuen darüber. Dabei vergruben sie alte Wandmalereien und schufen neue. Zurück blieb ein Mosaik aus Altären und Wänden.
Der Haupttempel hat eine 75 m lange Fassade mit sieben Stufen, von denen jede fast 3 m hoch und mit einer Reihe überlebensgroßer Bilder geschmückt ist. Einige der Bilder stellen Menschen dar, etwa Paraden bewaffneter Krieger und nackter Gefangener, die meisten zeigen jedoch mythische Wesen wie Spinnen und Drachen, die abgetrennte menschliche Köpfe halten, oder Ai-apaec, den Enthauptungsgott. Kleinere Tempel auf dem Gelände weisen komplizierte Wandmalereien von Priestern und Tieren oder riesigen grotesken Gesichtern auf.
Einige hundert Meter entfernt steht die schwer beschädigte Huaca del Sol. Das größte Lehmgebäude der Welt wurde aus schätzungsweise 140 Millionen Lehmziegeln errichtet.
Schon lange vor dem eigentlichen Cañón del Pato zeigt sich eine faszinierende Landschaft. Das Tal des Río Santa ist hier noch weit, dem Fluss wird sein Platz gelassen. Seitlich davon wir fleissig angepflanzt. Mais, Reis, Pfefferschoten und einiges mehr, das wir nicht erkennen können. Zu unserer Überraschung sogar Baumwolle.
Langsam verengt sich das Tal. Es wird steinig, die Canyonwände sind bereits zu steil und zu trocken für den Anbau. Geologische Formen wechseln sich ab. Die Farben der Abhänge variieren von blassgelb bis tiefrot und manchmal sogar schwarz. An einigen Stellen wird unter einfachen Bedingungen Kohle abgebaut.
Der Name des Cañón del Pato ist übrigens weder auf die Existenz von Wasservögeln in der Gegend zurückzuführen noch darauf, dass der Canyon der Form einer Ente ähnelt. Vielmehr entspringt er einer lokalen Legende, die erzählt, dass eine riesige Ente die geologische Formation geöffnet habe.
Nach dem Wasserkraftwerk in Huallanca, beginnt der eigentliche Pato Canyon, der durch die Erosion des Rio Santa zwischen den beiden grossen Gebirgszügen Cordillera Blanca und Cordillera Negra entstanden ist. Dabei wurde ein schmales Tal geschaffen, das an manchen Stellen nur 6 Meter breit und zwischen 1’000 und 2’000 Metern tief ist. Die Landschaft ist spektakulär; man kann es kaum glauben, dass die Route dort hindurchführt.
Ein paar schmale Serpentinen führen zum Eingang in die enge Entenschlucht. Die Straße durch den Canyon verläuft auf einem in den steilen Fels gehauenen Pfad über der Schlucht, der ursprünglich für eine Eisenbahnlinie gebaut wurde. Der Anblick der imposanten Felswände und des tosenden Flusses ist einfach faszinierend. An einigen Stellen ist der Canyon breit, an anderen Stellen ist er so eng, dass man den Grund nicht sehen kann.
Die ehemals asphaltierte Strasse ist einspurig, aber in beide Richtungen befahrbar, auch für Busse und LKWs. Es gibt jedoch genügend Ausweichstellen. Spannend wird es jedoch in den mehr als 40 unbeleuchteten Tunnels, die von Hand in den Fels geschlagen wurden. Einige Tunnel sind so lang, dass man das Ende nicht sehen kann. Hupen soll verhindern, das ein anderes Fahrzeug einfährt. Und ja, wir haben in den Tunneln viel gehupt, obwohl das anscheinend kein anderer Fahrer tut.
Dann öffnet sich das Tal wieder und wird mit zunehmender Höhe allmählich grüner.Wir sind im Callejón de Huaylas angekommen, dem Tal zwischen der weissen und schwarzen Cordillere.
Wir geniessen ein paar Tage in entspannter Atmosphäre auf dem Campingplatz Guadalupe bei Caraz, besuchen die kleine verschlafene Stadt und ihren bunten Markt und gewöhnen uns wieder etwas an die Höhe.

01.10.2025 – 31.10.2025

01.08.2025 – 29.08.2025
