27. Januar – 27. Februar 2022
Torcal de Antequera heisst unsere nächste Station. Hier soll es fantastische Felsformationen geben, die mit kürzeren oder längeren Wanderungen entdeckt werden können. Doch schon vor der Zufahrtsstrasse zum Visitor Center stehen die Autos und wir werden aufgefordert unser Fahrzeug abzustellen und den Shuttlebus zu benutzen. Die Parkplätze sind aber auch hier schon alle belegt. Wochenende ist definitiv kein gutes Timing, wir werden es während der Woche nochmal versuchen. Also direkt an die Küste von Calahonda zu Ines. Da es noch früh ist, entscheiden wir uns für Strassen nach Marcels Geschmack, schmal und kurvig. Die Aussicht ist dafür atemberaubend. Links der Strasse die hochaufgeschichteten Felsen und rechts der Blick über Hügel und Berge bis zum Meer. Die Mandelbäume blühen schon, manche weiss, manche tief rosa.
Auch die Suche nach einem Campingplatz für die Tage mit Ines, erweist sich am Samstag als nicht einfach. «Wir sind leider voll, vielleicht am späteren Sonntag Nachmittag», heisst es mehrmals, was uns ja auch nicht wirklich viel nützt. Auf unser Drängen hin dürfen wir uns trotzdem umsehen und finden eine schöne kleine Parzelle mit Sonne und Meersicht. Glück gehabt.
Anfang Dezember letzten Jahres haben wir beim Hafen von Estepona übernachtet, mit Blick auf den Felsen von Gibraltar (Spanien Teil 2). Müde von der erfolglosen Suche nach einer Webasto-Vertretung haben wir damals etwas verpasst. Estepona hat nämlich eine schmucke, gepflegte Altstadt, die seine Besucher in jeder Ecke fesselt. Das Netz weisser Strassen, die mit farbenfrohen Blumentöpfen geschmückt sind, verleihen ihm seinen Charakter als andalusische Küstenstadt. Die pink geschmückte Strasse, die gelbe, die rote, blaue, grüne, … usw. Wunderschön.
Szenenwechsel. Wir sind in Puerto Banús, welches für seine Exklusivität und die Besuche von Prominenten bekannt ist; die Schönen und die Reichen. Heute scheinen – neben uns – jedoch nur die Reichen an der Promenade präsent zu sein. Derzeit besuchen den Hafen etwa 5 Millionen Menschen, aber alles begann im August 1970. Damals wurde Puerto Banús mit einer grossen Party eingeweiht, an der sehr populäre Prominente teilnahmen. Die Party brachte Persönlichkeiten von beiden Seiten des Ozeans zusammen. Zum einen kam der Gründer des Playboy, Hugh Hefner, umgeben von Frauen; der Regisseur Roman Polanski war ebenfalls anwesend, und aus Monte Carlo kamen Rainier und Grace Kelly, auch die damals jungen Prinzen von Spanien. Es war ein grosses Fest, bei dem Julio Iglesias auftrat und bei dem die Prinzessin von Monaco mit dem Bauherrn dieser Idee, José Banús Masdeu, tanzte. Wir lassen uns von den teuren Luxusläden, den exotischen Autos und den Luxusyachten nicht einschüchtern und amüsieren uns an den glamourös herausgeputzten Menschen auf der Promenade.
Zum Abschluss des Tages geht es in die Taberna del Pintxo in Marbella. Die Pintxos werden hier von den Kellnern dynamisch an den verschiedenen Tischen präsentiert. Je nach Art und Format der Pintxos variiert das Zahnstochermodel und zeigt damit den Preis an.
Da Philipp noch nie in Ronda war, ergibt sich für uns eine gute Möglichkeit, wieder einmal hierher zurückzukehren. Gerne lassen wir uns von den Beiden im PKW durch die vielen Kurven chauffieren. Ronda, die weisse Stadt in den Bergen im Hinterland der Costa del Sol, hat einem Flüsschen und einer Schlucht viel zu verdanken. Und der Grund dafür ist einfach spektakulär: Über der atemberaubenden Schlucht El Tajo spannt sich die nicht minder beeindruckende Puente Nuevo – die »Neue Brücke« von Ronda. Die 98 m hohe Puente Nuevo trennt die Altstadt von Ronda (La Ciudad) vom jüngeren Stadtteil (El Mercadillo) auf der anderen Seite. Die Quadersteine, aus denen die Brücke errichtet wurde, gewann man direkt aus der Schlucht. Bevor im Jahr 1751 mit dem Bau der Puente Nuevo begonnen wurde, stand an der gleichen Stelle eine kleinere Bogenbrücke mit einem Durchmesser von 35 Metern. Diese wurde 1735 in nur achtmonatiger Bauzeit errichtet. Allerdings hielt sie nur 6 Jahre und beim Einsturz kamen ungefähr 50 Menschen ums Leben.
Es ist der 2. Februar 2022. Heute lassen wir die Korken knallen. Vor genau einem halben Jahr haben wir uns von Heitenried verabschiedet. In den sechs Monaten durften wir in Frankreich und Spanien sehr viel spannendes, faszinierendes und schönes Entdecken, Erleben und Geniessen. Städte und Landschaften, historisches und modernes, so manchen interessanten Fleck von Europa haben wir «erfahren». Auch wenn Corona die Kontakte zu Einheimischen und Mitreisenden stark eingeschränkt hat, so war es eine grossartige Zeit, in der wir weitere Erfahrungen für unsere grosse Reise entlang der Panamericana sammeln konnten. Zur Feier des Tages und zum Abschied von Ines und Philipp gibt es am Abend ein feines Rodizio in Fuengirola.
Dass das Naturschutzgebiet El Torcal zu den beliebtesten Ausflugszielen in Andalusien gehört, haben wir ja am letzten Wochenende bereits persönlich erfahren. Jetzt geniessen wir das Naturschauspiel der aussergewöhnlich geformten Karstformationen ohne viel Rummel. Betrachtet man die aus ovalen Felsplatten geschichteten, in ihrem filigranen Aufbau fast den Regeln der Physik trotzenden Karstsäulen, so könnte man fast vermuten, dass sich diese nicht innerhalb von Millionen von Jahren durch Erosion und Verwitterung gebildet haben, sondern vielmehr, dass irgendwelche mystischen Riesen hier versucht haben Steinmännchen aufzuschichten.
Gemäss ihrer pittoresken Erscheinung tragen die einzelnen Steinformationen im El Torcal zum Teil recht fantasievolle Namen wie etwa el Cáliz (der Blütenkelch), el Sombrerillo (das Hütchen), el Dado (der Würfel) und die wohl berühmteste, el Tornillo (die Schraube). Wir staunen bei unserer Rundwanderung an der wohl grössten Buchstützen der Welt. Wie wir uns umsehen, sind wir umzingelt von Kamelen, Azteken, Feen und Zwergen, Engeln oder Garden mit Hüten. Keiner unserer Schritte bleibt unbeobachtet von irgendwelchen steinernen Gesichtern. Über uns kreisen Geier. In den Büschen suchen Bergziegen nach Futter.
Im gesamten Mittelmeerraum ist der Anbau von Oliven sehr weit verbreitet. Spanien ist der bedeutendste Olivenölproduzent der Welt, wobei die Öle vorwiegend aus Andalusien stammen. Wo die Oliven wachsen erleben wir heute live. Von Antequera bis weit hinter Sevilla ziehen links wie rechts der Strasse Olivenfelder an uns vorbei. Die Landschaft zeigt sich uns gepunktet und gestreift. Die schönen alten knorrigen sind eher selten, leider. Dafür sehen wir vermehrt Olivenhaine, die vollmaschinell geerntet werden können.
Die historische Stadtmauer von Niebla mit ihren fünf Stadttoren und mehr als 30 Türmen ist vollständig erhalten. Vor den Städtchen überqueren wir noch einmal den Rio Tinto (Spanien Teil 3). Noch hier, 100 km von seinem Quellgebiet entfernt, zeigt er seine signifikante rote Färbung.
Auf dem Weg an Huelva vorbei nach Isla Christina, stehen wieder auf jedem Strommasten die Störche in ihren Nestern. Die Olivenfelder werden zunehmend von Treibhäusern abgelöst. In dieser Gegend werden vor allem Beeren angebaut; Heidelbeeren, Himbeeren und Erdbeeren stehen unter Plastik. Dazwischen, rosa Wolken gleich, kann sich das Auge an Feldern von blühenden Mandelbäumchen erholen.
Die Stadt Isla Cristina liegt in der Nähe der portugiesischen Grenze im nordwestlichen Abschnitt der Costa de la Luz. Der Urlaubsort ist jedoch keine Insel, wie dem Namen nach zu vermuten wäre. Ausgedehnte Marschen und Lagunen umgeben den Ferienort, sodass ein inselartiger Charakter der Stadt nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Die Hauptattraktion sind jedoch die weiten Sandstrände, die sich hier über 12 Kilometer in Richtung Osten bis zu dem Urlaubsort Islantilla erstrecken.
Am Sonntag präsentiert uns der Campingplatz auf Isla Christina ein besonderes Highlights. Es ist Marathontag. Am frühen Morgen werden durch Lautsprechertests und den Aufbau des Start- und Zielbogens geweckt. Um unseren Stellplatz werden Abschrankungen errichtet. Die Rennstrecke führt quer durch den Platz, wir sitzen mittendrin. Zuerst starten die ganz kleinen ca. 4-5 Jährigen für eine ganz kurze Strecke. Dann werden die Läufer immer älter, die Laufstrecke immer länger, bis zuletzt die super sportlichen Männer gleich mehrere Umläufe absolvieren. Interessant wie sich manche bewegen, quälen….
Mit dem Fahrrad geht es ins Städtchen. Der Holzsteg dem Meer entlang ist leider etwas in die Jahre gekommen und so unfahrbar, dass wir die Räder schieben müssen. Kaum angekommen kommt ein kleines Hüngerchen auf. Wir finden ein Restaurant welches uns zu Tapas animiert. Für 15 Euro gibt es fünf verschiedene, die Auswahl trifft der Küchenchef, also Tapas Surprise. Zuerst werden uns Kroketten mit Käse serviert, dazu Salat . Weiter geht es mit Thunfisch al Forno mit Hackfleisch gefüllt – sehr sehr lecker, Schweinebäckchen in Rotwein – ebenfalls zum Reinknien, noch einmal Thunfisch, diesmal als Satayspiesschen mit Erdnusssauce und als Abschluss ein Auberginenmusaka. Die einzelnen Tapas sind recht gross, eher Rationes. So werden wir auch mehr als satt.
Gestärkt fahren wir in die ausgedehnten Feuchtgebiete der Marismas. Diese stehen unter Naturschutz und können auf zahlreichen markierten Wegen erkundet werden. Eigentlich ein besonderes Vergnügen für alle, die gerne Vögel beobachten möchten. Aber zu dieser Jahreszeit sind leider nicht sehr viele hier. Wir finden trotzdem ein paar Wasservögel mit langen Schnäbeln, mit kurzen Schnäbel und langen Beinen und auch Flamingos.
Hasta luego Spanien – Auf der Ponte Internacional den Guadiana überqueren wir die unsichtbare Grenze – bem vindo Portugal.
Fliesen auf den Hausfassaden, endlos lange Holztreppen zu den wunderschönsten Stränden, Felsformationen, bei denen uns der Mund offen stehen bleibt und kleine, weisse Häuser mit blauen Fensterläden – so stellen wir uns Portugal vor.
Als erstes sollen wir uns jedoch pflichtgemäss für die elektronische Erfassung von Autobahngebühren registrieren. Aber hoppla, der Automat akzeptiert keine unserer Kreditkarten und wir sind nicht die einzigen, denen es so ergeht. Wir setzen zurück und versuchen die Registrierung im Internet, das scheint zu funktionieren. Jetzt sind wir gespannt wieviel uns belastet wird, wenn wir die portugiesischen Autobahnen benutzen.
Unser erster Spot in Portugal ist ein Friedhof, der Ankerfriedhof am weissen Strand Praia do Barril bei Tavira. Die sorgfältig aufgereihten 248 verrosteten Anker sind ein beliebtes Fotomotiv, doch nicht alle wissen, wozu sie dienten. Es handelt sich um die Anker, die die Stellnetze des Thunfischfangs am Meeresboden fixierten. Als der Fischbestand in den 1960er Jahren zurückging, wurde das Stellnetz vor der Praia do Barril aufgegeben, die Anker am Strand aufgereiht und die Häuser der Fischer, die nur während der Fangsaison von April bis September bewohnt waren, verlassen. Welch bizarrer Ort.
Das Wohnmobile in Portugal nicht mehr so gerne gesehen werden, erleben wir bereits in Faro. Obwohl der grosse Parkplatz bei der Altstadt gemäss unseren Apps ein paar Womo-Stellplätze haben soll, weisst uns ein Fahrverbot für Wohnmobile auf der Zufahrtsstrasse an umzudrehen. Wir kurven durch die Stadt zu einem weiteren Eingang auf den Platz, aber auch hier stoppt uns schon weit vorher ein Fahrverbot. Hinter den Bahngeleisen finden wir endlich einen Platz, wo auch wir stehen dürfen. Dann geht es zu Fuss in die Altstadt. Eine Kostprobe von dem was sie bietet, konnten wir bereits bei der Durchfahrt erhaschen. Wunderschöne Mosaike zieren einen grossen Teil der Gassen. Zum Abschluss gibt es dann noch etwas für den Gluscht, Churros zum Apero.
Auf der Suche nach einem schönen Felsenstrand, der ohne Fahr- und Parkverbot für Camper erreichbar ist, fahren wir durch so manches Villenquartier, dass jetzt im Winter wie ausgestorben wirkt. Mit Glück und Zufall finden wir die Praia de São Rafael. Die leuchtend gelben Klippen und der ebenso gelbe Sandstrand konkurrieren mit dem blaugrünen Meer und dem blauen Himmel. Auch die Praia do Castelo erlaubt uns ein Blick über die Klippen. Viele Küstenformationen haben wir in den letzten Monaten in Frankreich und Spanien erlebt. Die Felsenküste der Algarve gehört bestimmt zu den eindrucksvollsten. Jede Bucht ist auf ihre ganz besondere Art und Weise einzigartig. Von Beige über Ocker bis Rotbraun und Feuerrot – wenn die Sonne den Felsen anleuchtet, erstrahlen die Steine in den unterschiedlichsten Farben und ragen als bizarre Formen aus dem Meer.
Was wir noch sehen möchten, ist eine der Höhlen, für die die Steilküste der Algarve bekannt ist. Ein Besuch mit dem Speedboot kommt nicht in Frage, zu rau ist das Meer um diese Jahreszeit. In Alvor schaffen wir es bis ans Meer zu fahren und zu parken. Nun geht’s an den Strand. Wir wandern bis zum Strandende bei den Felsenklippen. Das Wasser ist noch hoch, aber mit etwas nassen Füssen geht es weiter. Ein weiterer kleiner Strand öffnet sich uns und lädt kurz zum Verweilen. Die nächste Passage ist eher schwierig. Marcel steigt hinunter und durch eine Höhle. Nach längerem erscheint er strahlend und mit nassen Hosen und erzählt von einer noch schönerer Bucht mit Höhlen. Wir suchen uns einen trockenen Weg zu angrenzenden Buchten. Ein weiterer Aussichtspunkt am Gruta das Baratas beschert uns neue, ebenso verführerische Sichten auf die goldgelbe Steilküste, die Sandstrände der Praia João de Arens. Aber was ist den das? Ein U-Boot? Es scheint an der Praia do Submarino gerade aufgetaucht zu sein. In der Zwischenzeit ist Ebbe eingetreten. Auch Erika kann nun gefahrlos durch die Höhle an die faszinierende Praia da Prainha gelangen. Auf dem langen Weg zurück über den Strand knirschen die Muscheln unter unseren Füssen. Natürlich können wir nicht allen widerstehen. Einige müssen mit.
Und schon wieder lockt ein Ende der Welt. Das Cabo de São Vicente ist der Ort an der Algarve mit einem „Ende-der-Welt-Feeling“. Denn der Felsvorsprung mit Festung und Leuchtturm ist gleichzeitig auch der südwestlichste Punkt Europas. Von dort blicken wir etwas wehmütig auf den offenen Atlantik in Richtung USA. Wann werden wir wohl dort drüben ankommen? Auf dem Parkplatz vor dem Leuchtturm gibt es die „Letzte Bratwurst vor Amerika“ am gleichnamigen Imbiss. Diese müssen wir unbedingt probieren. Hoffen wir aber, dass wir noch eine bessere erhalten vor unserer Abreise über diesen grossen Teich. Gestärkt schauen wir dem tosenden Wasser zu und zählen die Schiffe die am Horizont vorbei ziehen.
Mit den eBikes fahren wir gegen den forschen Wind zum Fortaleza de Sagres. Am Kap von Sagres gelegen, verdankt die Festung ihren Ursprung Heinrich dem Seefahrer, der hier ein Städtchen gründete und 1460 hier verstarb. Mitten auf der Felsennase steht das Labyrinth der Geräusche. Innen in der Mitte ist tief unten ein Blasloch. Wenn das Meer hereinbricht, hören wir den Atem des Meeres oder das beängstigende Donnern der Wellen. Diese Wellen zeigen sich uns in eindrücklichster Weise auf dem Rundweg über die Halbinsel. Wie wenn das Meer atmen würde, kämpft sich das Wasser hoch an die Klippen, zieht es sich zurück und hinterlässt Wasserfälle am Felsen, nur um im nächsten Anlauf wieder hoch aufschäumend darauf loszustürmen. Ein Schauspiel, welchem wir einige Zeit gebannt zusehen.
Der Naturpark Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina erstreckt sich an der Westküste von der Spitze der Algarve über 100 km in den Norden. Die Landschaft umfasst hohe, schwarze Klippen im Kontrast zu den in den Felsen gehauenen Stränden und steilen Klippen, Wasserläufen, Heiden, bewässerten Feldern und produktiven Wäldern. Die Strände sind bei Surfern sehr beliebt.
An der Praia do Bordeira machen wir Halt. Hier wird das Schwarz des Schiefers unterbrochen, um einer Kalksteinklippe mit hellen und warmen Farben Platz zu machen. Auf der Aussichtsplattform atmen wir die Meeresbrise und beobachten den Kampf zwischen dem Meer und den steinigen Schichten der Küste. Am riesigen Strand rücken die ausgedehnten, wüstenähnlichen Dünenfelder landeinwärts bis zum Dorf Carrapateira vor. Im welligen Sand hinterlassen wir eigene Spuren und stapfen zum Auto zurück.
Im hügeligen Hinterland hat der Naturpark nicht viel Spektakuläres zu bieten. Buschwerk, gelbleuchtende Weidenakazien, ein paar Korkeichen und vor allen Eukalyptus. Nirgends sonst in Portugal gibt es so viele Eukalyptus-Bäume. Sie sehen wunderschön aus, keine Frage, aber da es keine ursprünglichen Bäume sind, bringen sie auch ganz viele Problem mit sich. Sie wurden einst hier angesiedelt, um das sumpfige Land auszutrocknen, denn sie haben eine wassersaugende Eigenschaft. Mittlerweile ist das Land aber trocken, und trotzdem saugen sie weiter und weiter. Noch schlimmer ist: Sie brennen wie Zunder. Wenn ihr in den Nachrichten von Waldbränden in Portugal hört, dann sind meistens Eukalyptusbäume Schuld am dem drastischen Ausmass.
Weiter geht es landeinwärts, quer durch eine Landschaft, die von Korkeichen geprägt ist. Die Rinde der Bäume wird alle neun Jahre geschält. Der Grossteil der Ernte wird noch immer zu Korken verarbeitet, aber inzwischen schätzen nicht nur Winzer das umweltfreundliche Material. In den Souvenirläden der Gegend stapeln sich Taschen, Geldbeutel und Hüte, Handyhüllen und Schuhe aus Kork, ja sogar Kleider macht man inzwischen aus Eichenrinde.
Kurz vor Évora stehen dann wieder Olivenhaine und Mandelbäume in Reih und Glied. Viele dieser Plantagen scheinen neu angelegt, inklusive aufwendiger Bewässerungssysteme, obwohl in dieser Gegend akuter Wassermangel herrschen soll.
Bei einem Bummel durch das enge Gassengewirr der alten Stadt Évora begegnen wir Bauwerken aus den vergangenen zwei Jahrtausenden. Das Herz der Altstadt bildet der zentrale Praça do Giraldo. Der weitläufige Platz wird von herrschaftlichen Häusern mit kunstvollen schmiedeisernen Balkongittern und Arkadengängen umringt. An der Stirnseite steht stolz die schön renovierte Kirche Santo Antão. Weiter auf den Kopfsteinpflastern der Fussgängerzone gelangen wir ins touristische Treiben der Altstadt. Von den Römern blieb der grosse Diana-Tempel mit seinen 14 korinthischen Säulen, der heute als Wahrzeichen der Stadt gilt.
Das Aquädukt Água de Prata da Évora ist aufgrund seiner Grösse eines der auffälligsten und beeindruckendsten Monumente der Stadt. Damit wurde das Wasser aus den Quellen in Graça do Divor 18 Kilometer weit, bis zum Stadtzentrum, transportiert. Es lässt nicht vergessen, welche Ingenieurskunst es brauchte, um allen Éborensern seit Urzeiten einen Drink zu garantieren. Noch heute wird er für die Wasserversorgung genutzt. Innerhalb der Stadtmauern wurden Häuser direkt in die Bögen des Aquädukts eingebaut. Ausserhalb führt jede Spur der neuen vierspurigen Strasse einzeln durch einen der Bogen. Bergan schlendern wir zurück in die Stadtmitte und genehmigen uns auf dem Praça de Giraldo ein Bier. Der Musikant mit Lautsprecher auf dem Platz findet meist nicht den richtigen Ton. Auch die richtige Saite bei der Gitarre überlässt er dem Zufall, den Text kennen und verstehen wir zum Glück nicht. So lassen wir uns quälend mit seinen Songs berieseln. Silence is golden.
Natürlich können wir nicht an der Hauptstadt Lissabon vorbeifahren, ohne ihr einen Besuch abzustatten. All ihre vielfältigen Sehenswürdigkeiten haben wir vor Jahren schon ausgiebig besichtigt. So lassen wir diesmal einfach die Stadt auf uns wirken. Mit dem Bus fahren wir in die Innenstadt. Gekachelte Häuser, buntgemusterte Plätze. Hügelauf und hügelab wandern wir durch die Quartiere. Mit viel Geduld erkämpfen wir uns einen Platz im überbesetzen Tram Nr. 28. Bis zum Aussichtpunkt ist es sehr eng, dann gibt es freien Sitzplatz. Wir lassen uns vom historischem Wagen durch die engen und steilen Gassen bis zur Endstation weiterkutschieren. Das nächste Tram bringt uns zurück. Am Praça do Comércio gönnen wir uns ein Apero an der Sonne.
Ehemalige Lagerhäuser des Dockbereichs von Santo Amaro unterhalb der Ponte de 25 Abril wurden in eine Vielzahl kosmopolitischer Bars und Restaurants für jeden Geschmack umgewandelt. Auch wir werden fündig und geniessen einen kulinarischen Abend. Die idyllische nächtliche Atmosphäre wird leider beeinträchtigt durch den Lärm der Autos und Züge auf der Brücke und der Flugzeuge, die direkt darüber zur Landung anfliegen.
Im Bergland ob Sintra verstecken sich zwischen Pinienwäldern skurrile Paläste, verschwenderische Villen und die Ruinen einer maurischen Burg. Auf jeden Fall ein Besuch wert. Leider ist der ideal gelegene Stellplatz in Sintra nicht mehr verfügbar. Zudem fühlt sich Marcel nicht wohl, zumindest nicht so wohl um zu den Schlössern in die Hügel aufzusteigen. Wir verzichten auf Sightseeing und gönnen uns etwas Ruhe auf einem Zeltplatz ob der Düne von Cresmina. Wir hören die Wellen an den Strand klatschen. Sehen können wir sie nicht. Auch am Folgetag ist Marcel noch nicht ganz auf dem Damm, es reicht aber zu einem ausgiebigen Spaziergang auf dem Steg durch die Sanddüne ans Meer. Die kräftigen, schäumenden Wellen faszinieren uns wieder.
Als Cabo da Roca wird die wilde, schroffe Landzunge bezeichnet, die den westlichsten Punkt des europäischen Festlandes bildet. Bis ins 14. Jahrhundert hielten die Menschen die windgepeitschten Felsen und öden Landschaften als den Rand der Welt. Selbst heute verströmt die Region eine abgelegene und wilde Atmosphäre, das düstere Wetter gibt seines dazu. Die isolierte Lage von Cabo da Roca wird dadurch verstärkt, dass sich dort nur ein Leuchtturm, ein Café und ein Souvenirshop befinden, sonst nichts. Hauptattraktion ist die windige, spektakuläre Landschaft selbst, ideal für Reisende, die die raue Schönheit der Natur zu schätzen wissen.
Die Stadt Mafra liegt in der sogenannten «bäuerlichen» Region von Lissabon, die die Hauptstadt mit Obst und Gemüse versorgt. Berühmt ist sie wegen ihres gewaltigen Klosterpalastes, einem der grössten und prächtigsten Europas, dem Palacio de Mafra. König João V. veranlasste im 18. Jahrhundert den Bau dieses grössten Bauwerks Portugals. Der König, dessen Ehe mit Königin Maria Anna von Österreich auch nach drei Jahren noch kinderlos war, versprach, den Franziskanermönchen in Mafra ein Kloster zu errichten, falls seine Gebete um die Geburt eines Thronerben erhört würden. Der weitläufige Palastkomplex umfasst ein riesiges Kloster, eine schmuckreiche Basilika sowie eine prächtige Bibliothek. Wir sind beeindruckt. Vom Hauptportal aus breiten sich die Strassen sternförmig in die Stadt aus. Ursprünglich sollte das Kloster nur Platz für 13 Kapuzinermönche bieten. Nachdem jedoch reichlich Gold aus Brasilien floss, wurde das Bauwerk stark erweitert, sodass letzten Endes 330 Mönche Platz fanden. In der Bibliothek lebt eine Fledermauskolonie, die die alten Bücher vor Insektenbefall schützt. Die kleinen Tiere werden zweimal pro Nacht herausgelassen und können das doppelte ihre Körpergewichts an Insekten fressen. Diese natürliche Schädlingsbekämpfung funktioniert seit mehr als 300 Jahren.
Ein weiteres lohnenswertes Ziel in der Umgebung ist Ericeira, ein Paradies für Surfer, aber auch immer noch ein traditioneller Fischerort. So stehen am Hafenstrand die Fischerboote, daneben in den Wellen tummeln sich die Surfer. Malerische Strassen mit ihren schmucken Häusern laden zum schlendern ein. Eine Bar oberhalb des Hafen bietet für uns die idealen Bedingungen um bei einem Drink die Künste der Surfer zu beobachten.
In Peniche ist deutlich erkennbar, dass die Fischerei das Leben der Menschen prägt. Das von Stadtmauern umgebene historische Zentrum, ist rau und ein wenig heruntergekommen. Der Ort liegt auf einer felsigen Halbinsel, geprägt durch eine hohe Steilküste, die nur im Hafenbereich und am nördlichen Ende flach zum Meer hin abfällt. Am westlichsten Punkt befindet sich das Cabo Carvoeiro mit einem Leuchtturm, von wo aus die im Atlantik liegende Inselgruppe der Berlengas sehr gut sichtbar ist. Während die weitläufigen Sandstrände im Osten vor Peniche aufgrund einzigartiger Wellen bei Surfern äusserst beliebt sind, ist für uns die felsige Steilküste der perfekte Ort, um Portugals tosende Brandungen zu erleben. Laut Küstenwarnung sollen die Wellen heute 5, 6 oder sogar bis 10 Meter hoch werden. Das wollen wir sehen. Und tatsächlich das Wasser türmt sich auf in riesigen Wellen, um dann donnernd zusammenzustürzen, spritzend an die Felsen zu klatschen. Es ist ein gigantisches Schauspiel.