Michigan, Wisconsin, Illinois, Indiana, Ohio, Pennsylvania
30. Juni bis 29. Juli 2022
Das Wichtigste vorneweg, wir sind in den USA und dürfen die maximal vorgesehenen 6 Monate bleiben.
Die letzte Nacht in Kanada verläuft ruhig, bis auf den städtischen Profirasenmäher, der bereits um 6 Uhr morgens direkt neben uns mit seiner wichtigen Arbeit beginnt. In der Nacht hat es zum Glück etwas geregnet. Zum Glück darum, weil Rocky in sauberem Zustand am US Zoll vorfahren soll und wir gestern trotz intensiver Suche in der ganzen Stadt keine Waschanlage gefunden haben, die für unser Fahrzeug hoch genug ist. Jetzt nach dem Regen und nach etwas Handarbeit sieht Rocky annehmbar sauber aus.
Also kann es losgehen. Der erste Grenzübertritt auf unserer Tour. Etwas nervös machen wir uns auf den Weg über die Brücke in die USA. Man hat so manches gehört über den US Zoll! Haben wir an alles gedacht, alle Dokumente bereit? Die freundliche Dame im Zollhäuschen will einiges wissen und die Pässe sehen. Dann winkt sie uns zu einem Kollegen weiter. Die Beamten dort grinsen bereits bei unserer Anfahrt. Unsere beiden blumigen Begleiter hinter der Windschutzscheibe dürfen nicht einreisen, ausser wir können ein spezielles Permit von den kanadischen Behörden vorweisen. Einige Fragen später führt ein Beamter uns ins Zollhaus. Hier warten wir während sie unseren Rocky inspizieren. Früchte und Frischwaren sind nicht erlaubt. Eine ganze Liste mit unerlaubten Waren wird uns ausgehändigt. Nach einer längeren Wartezeit dürfen in eine Kamera blicken und wieder einmal unsere Fingerprints abgeben. Stempel in den Pass, Gebühr bezahlen. So nun dürfen wir bis Ende Dezember in den USA bleiben. Ein paar Meter weiter – oder jetzt Fuss – ist auch noch die Maut für die Brücke zu bezahlen. Aber nur in bar.
Kurz sehen wir uns Sault Ste. Marie, Michigan an. Wir fahren auf den Tower of History. Doch der angeblich tolle Ausblick auf die gleichnamige Schwesterstadt auf der kanadischen Seite und die amerikanischen Schleusen enttäuscht. Die Schleusen sehen eher aus wie eine grosse Baustelle und hinter der Brücke erstreckt sich ein riesiger Fabrikkomplex mit Kohlehügeln und Schornsteinen.
Also füllen wir im Walmart erst mal unseren Kühlschrank wieder auf und machen uns auf in die Natur. Am Lake Superior, dem grössten der fünf nordamerikanischen Seen, finden wir einen herrlichen Stellplatz direkt am weissen Sandstrand. Wir fühlen uns vermeintlich in der Karibik. Noch ein paar Palmen und Kokosnüsse, ein paar Grad wärmer und das Standfeeling wäre perfekt. Wäre, würden uns nicht schon wieder die Mücken und Stechfliegen den Strandspaziergang vermiesen.
Es naht das lange Wochenende mit dem 4. Juli, dem Independence Day. Viele Amerikaner werden auf den Campingplätzen unterwegs sein und es ist schwierig, einen freien Campingplatz zu finden. In Christmas finden wir den Bay Furnace Campground, der einige der Plätze nach dem Prinzip „first come, first serve“ – der Erste malt zuerst – vergibt. Da müssen wir früh sein, aber wir sind ja auch ganz in der Nähe, nur noch 168 km oder fast 3 Stunden Fahrt. In Christmas ist für uns dann tatsächlich Weihnachten, es sind noch wenige Plätze frei.
Einzigartig in dieser Gegend und bei weitem die grösste Sommerattraktion ist der Pictured Rocks National Lakeshore. Der Name «Pictured Rocks» kommt von den Streifen mineralischer Flecken, die auf der Oberfläche der verwitterten, geformten Klippen zu sehen sind wie moderne Gemälde. Eine Reihe von Farben entsteht, wenn Grundwasser durch die Risse sickert und die Felswand hinunterrieselt. Eisen (rot und orange), Kupfer (blau und grün), Mangan (braun und schwarz), Limonit (weiss) gehören zu den häufigsten farbgebenden Mineralien. Wir fahren mit dem Ausflugsboot der farbenfrohen Steilküste entlang. Höhlen, dazwischen malerische Sandstrände, Bogen und Wasserfälle beglücken uns. Die Auswaschungen der Felsen lassen verschiedene Formen interpretieren: Miners Castle, Chapel Rock, Indian Head. Tiefblau bis hell türkis leuchtet das Wasser. Von oben überragen die Blätter der Bäume über die Felsen. Der Himmel wölbt sich blau. Zauberhaft.
Auf der Rückfahrt zum Campingplatz müssen wir noch Feuerholz kaufen. Doch unser Rocky hat plötzlich Probleme, will nicht richtig anspringen und läuft dann unruhig. Was nun? Auf dem Campingplatz fragen wir nach einer Werkstatt. Sie wollen helfen, aber es ist Samstagabend. Und das lange Wochenende steht bevor, am Montag ist National Feiertag.
HALT, STOPP, nichts geht mehr! Nach einer unruhigen Nacht und einigen Recherchen steht fest, wir haben gestern nicht Diesel getankt, sondern Benzin. Warum nur gleichen die amerikanischen Tanksäulen so sehr den kanadischen, sind aber gerade anders rum? Aus dem separaten, gelben Zapfhahn auf der linken Seite der Tanksäule läuft hier Benzin, in Kanada war es der Diesel. Diesel soll hier grün sein (manchmal , wie sich später zeigt). Hilft jetzt auch nicht weiter, so wie unser Schweizer Telefon, mit dem sich die amerikanischen Notfallnummern nicht erreichen lassen. Mit dem Handy der Campingplatz Betreuerin erreichen wir dann den Road Mobility Service von Mercedes USA. Nach langer Datenaufnahme erklärt dieser, dass wir ein europäisches Fahrzeug hätten und darum die Mercedes Pannenhilfe in Europa zuständig sei. Endlich erreichen wir noch einen regionalen Abschleppdienst, der versuchen will uns trotz Feiertagen zu helfen. Leider bleibt es dabei, er lässt nichts mehr von sich hören.
Welche Ironie, der Treibstoff ist nicht grün, wie er sollte. Dafür ist aber das Feuerholz sehr grün. Beides funktioniert nicht wie gewünscht. Das Feuer kam gestern Abend erst nach langer Zeit etwas in Gang. Nachdem das Fleisch dann doch endlich gar war, begann es dann zu lodern bis wir ins Bett gingen.
So verbringen wir einen verregneten 4th of July bei unserem angeschlagenen Fahrzeug auf dem Stellplatz, zusammen mit hunderten von Mücken, die uns kaum ins Freie lassen. Wir lassen uns aber nichts vermiesen, gehen trotzdem in den Wald, sammeln ein paar Zweige und Äste und basteln den Amerikanern zu ihrem National Feiertag ein Sternenbanner aus Naturmaterialen. Wir finden, es ist gelungen. Vom grossen Fest und Feuerwerk bekommen wird leider nichts mit.
Am Dienstagmorgen geht die Suche nach Hilfe weiter. Der Abschleppdienst vom Sonntag will nichts mehr wissen. Er könne uns zwar holen, aber alle Werkstätten in der Umgebung seien heute sowieso noch geschlossen und wir sollen ihm sagen, wohin er uns bringen soll. Der nächste würde uns auch holen, kann aber erst in 2 Wochen mit der Reparatur beginnen. Dafür nennt er uns schon mal seine Stundensätze, die mit denen in der Schweiz gut mithalten können. Stimmung und Moral sinken ins Unerträgliche. Dann endlich, Jeff von Crossroad Truck Repair will sich unser annehmen, kann aber erst gegen 16 Uhr jemand vorbeischicken. Wird jemand kommen oder ist es wiederum nur eine leere Versprechung.
Eine lange Wartezeit beginnt. Abfall entsorgen, Campingplatz bezahlen, vor dem Womo Haare waschen und schneiden, Türschloss frisch ankleben, und warten …
Dann klemmt auch noch das Fliegengitter an der Tür und lässt die Mücken ins Fahrzeug. Also muss auch das auseinander genommen und repariert werden. Und weiter warten…. klappt es diesmal? Und ja, Gott sei Dank, kurz vor 16 Uhr erscheint er, Randy, unser Helfer in der Not. Mit dem grossen Abschleppwagen wird Rocky 77 km zur Garage geschleppt. Während der Fahrt sehen wir am Strassenrand Sandhill Kraniche, die müssen uns Glück bringen. Das Benzin muss abgesaugt, Leitungen gespült und Filter gereinigt werden. Das dauert, immerhin müssen 93 Liter Treibstoff abgepumpt werden. Dann der grosse Moment … Der Motor startet gut, ein kurzes Stottern, dann läuft er, rund als wäre nie etwas gewesen. Aber im Display erscheinen verschiedene Fehlermeldungen, die sich auch mit dem amerikanischen Diagnosegerät nicht quittieren lassen.
Ein kurzer Trip zum nahen Skiressort soll zeigen, ob der Motor stabil läuft. Ja, hier kann man wirklich Skifahren und die Piste sieht auch nicht ohne aus, obwohl wir hier nur etwas 200 Meter über Meer sind. Aber was wirklich wichtig ist, Rocky scheint wieder normal zu laufen. Nach einem Stopp beim Tankstellen Shop sind auch wie von Geisterhand die Fehlermeldungen weg. Super, nun können wir ruhiger schlafen.
Von Upper Michigan haben wir genug. Hier herrscht eigentlich Natur pur, aber das heisst Wald, Wald und nochmals Wald und damit auch Moskitos ohne Ende. Die haben aber in den letzten Tagen bereits genügend Blutspenden von uns erhalten.
Ellenlange gerade Strassen führen uns im südlichen Teil der Upper Peninsula von West nach Ost. Wiederum stehen ein paar Kraniche direkt neben der Strasse. Danke, ihr habt uns Glück im Unglück gebracht. Auf der Mackinac Hängebrücke überqueren wir die Wasserstrasse zwischen dem Lake Huron und dem Lake Michigan. In der Gegend von Petoskey sollen am Strand des Lake Michigan die Petoskey Steine zu finden sein. Eigentlich sind es gar keine Steine sondern versteinerte Korallen. Während diese früher leicht zu finden waren, liegen sie heute nicht mehr in Massen herum und man muss die richtige Stelle kennen. Das Internet hilft uns hier nicht weiter. Es ist wie beim Pilze suchen, keiner will seine guten Sammelspots verraten.
Wir entscheiden spontan, unser Glück im Fisherman‘s Island State Park zu versuchen. Auf die entsprechende Frage gibt uns der Officer am Eingang zum Campground bereitwillig Auskunft, wo es hier die begehrten Steine zu suchen gilt. Am Strand ist einiges los. Einige Leute tummeln sich hier beim Sonnenbaden, die Bucht ist mit Motorbooten voll, aber keine erkennbaren Steinesammler. Es zieht uns zum Spitz gegenüber der Fisherman’s Insel. Hier ist ein Sperrgebiet, Nestgebiet für die Piping Plover – Gelbfuss Regenpfeifer. Wir sehen die Jungen. Der Vogel Vater pfeift seinen drei Jungen, die gemäss Ranger erst drei Wochen alt sind. Am Wasserrand um die Ecke finden wir die ersten Petoskey Steine. Auch anderen Versteinerungen und Steine im den schönsten Farben liegen hier in Mengen. Unser Jagdtrieb ist geweckt. Zufrieden ob so viel Glück – schon wieder – kehren wir mit einem kleinen Sack voll auserwählten Steinen zum Womo zurück. Nun aber schnell Feuer entfacht, mit trockenem Holz!
Die Strassen sind immer noch schnurgerade, aber am Strassenrand wechseln die Wälder mit Tannenbäumen zu Feldern mit Obstbäumen. Vorwiegend sind es übervolle Kirchbäume mit roten, tiefhängenden Äste. Auch Erdbeeren und Himbeeren sind viele zu sehen und werden direkt an der Strasse feilgeboten. In Traverse City ist das traditionelle National Cherry Festival im Gange. Für Kinder gibt es etliche Angebote zum Basteln, zum Entdecken und um sich sportlich zu Betätigen. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite tobt ein Luna Park. An Werbung für lokale und nationale Unternehmen wird nicht gespart. Banken, Versicherungen sowie Walmart und Co. locken mit Gratisgaben. Der Souveniershop im Zelt bieten von Kirschen T-Shirts, über Kirschen Flaschenkühler bis zu Kirschensocken so einiges. Das Nachbarzelt gefällt uns schon besser. Hier werden vorwiegend Produkte verkauft, die aus und mit Kirschen hergestellt wurden (mit Ausnahme von gebranntem Kirsch). Verschiedene Essenstände bieten für alle Geschmäcker etwas an. Eine grosse Tüte Popcorn, eine Portion frische Kirschen kommen mit uns auf den Weg.
Im Sleeping Bear Dunes Nationalpark finden wir keinen Campingplatz. Alles geht nur per Reservation und dafür sind wir schon lange zu spät. Es ist bereits Ferienzeit und zudem noch Wochenende, keine Chance. Kilometerlange Sandstrände, Klippen, die hoch über dem Michigansee aufragen, üppige Wälder, klare Binnenseen, einzigartige Flora und Fauna bilden die natürliche Welt der Sleeping Bear Dunes und das wollen neben uns noch viele andere erkunden. Vom Parkplatz aus kann man eine der Dünen erwandern. Das erinnert uns stark an die Dune du Pilat in Frankreich, nur dass es dort für den Aufstieg eine Holztreppe gibt. Ein spektakulären Blick über die Dünenlandschaft und die Seen belohnt den steilen Aufstieg durch den Sand. Während man in Europa zum Aussichtspunkt wandert oder allenfalls mit der Bergbahn hochfährt, geht das in den USA selbstverständlich mit dem Fahrzeug auf einem Senic Drive. Durch dichten Nationalpark Wald geht es kurvig auf und ab. Noch sieht man nicht sehr viel. Doch dann kommt ein Parkplatz und mit ein paar Schritten kann man noch einmal von einer anderen Seite in die Dünen schauen, ohne schweisstreibenden Aufstieg. Von einem weiteren Parkplatz führt ein kurzer Weg zu einem atemberaubend Anblick. Es geht beinahe senkrecht hinunter zum See. 600 Fuss, rund 200 Meter. Nichts ist abgesperrt, nur ein Schild weist darauf, dass es gefährlich ist und eine Rettung per Helikopter um die 3000 Dollar kosten würde.
Einem Tipp folgend, finden wir einen Parkplatz im National Forest, nahe des Touristenstädtchens Glen Arbor. Hier stellen wir uns für die Nacht hin und hören von Ferne, in Glen Arbor schläft der Bär nicht, hier steppt er.
Beim Betsie Lighthouse gehen wir noch einmal kurz an den Strand. Petoskey Steine finden wir heute keine, aber wir freue uns an den vielen farbigen Steinen. Gerne würden wir welche mitnehmen zum Schleifen, zum Glück ist unsere Zuladung beschränkt.
Als Teil des U.S. Highway 10 verbindet die S.S Badger seit den 50er-Jahren die Städte Ludington in Michigan und Manitowoc in Wisconsin am Michigansee. Für die 100 km braucht sie genau 4 Stunden. Das 125 m lange Steamship ist das letzte mit kohlegefeuerten Dampfkesseln und Kolbendampfmaschinen angetriebene Passagierschiff der USA, das im regelmässigen kommerziellen Linieneinsatz steht. Ursprünglich als Eisenbahnfähre gebaut, werden heute nur noch PWK’s und LKW’s transportiert, bis zu 180 an der Zahl.
Uns kommt die historische Dampfschiff-Autofähre gelegen, um die Stecke nach Milwaukee abkürzen. Von unserem Nachtlager direkt am Hafen hören wir das Schiff kommen, lange bevor wir es sehen. Die S.S. Badger läuft ein. Interessiert schauen wir beim Anlandemanöver zu. In Ermangelung von Steuerdüsen, wird in fast voller Fahrt einseitig der Anker ausgeworfen. Der alte Dampfer dreht sich somit um die Ankerkette. Rückwärts geht es dann bis zum Pier, wo er festgezurrt wird.
Das Einladen der Autos in die Fähre ist ein Schauspiel. Die Fahrzeuge werden nach Grösse auf Parkplätze aussortiert. Von dort übernehmen Fahrer der Fährgesellschaft die Fahrzeuge und verschwinden mit ihnen im Bauch der alten Fähre. Im Laufschritt erscheinen die Fahrer wieder, um gleich darauf das nächste Fahrzeug zu verladen. Grössere Fahrzeuge, so auch unser Rocky, werden in sicherer Fahrt rückwärts ins Schiff gelenkt. Wir schauen und staunen.
Nicht wie erwartet zeigt sich das Innere des Schiffes. Das winzige Museum wird von Leuten bevölkert, die auf den historischen Möbeln schlafen. Nebst ein wenig Text sind einige wenige Fotos und Ausstellungsstücke zu sehen. Während wir einen Salon wie zu altern Zeiten erwartet haben, sind die übrigen Innenräume eher lieblos eingerichtet. Auf Deck stehen Plastikstühle und ausgelegene Strandliegen zur Verfügung. Die Überfahrt ist sehr ruhig.
Das Ausladen der Fahrzeuge erfolgt dann wieder im Schema des Verladens. Die Driver fahren die Autos aus dem Schiff und stellen sie kurz hinter der Fähre ab, wo sie der Besitzer wieder übernehmen kann. Es herrschen dabei eher kaotische Verhältnisse.
Nach dem Dampfschiff kommt das Dampfross. Das National Railroad Museum in Green Bay ist eines der grössten, ältesten und angesehensten Eisenbahnmuseen in den Vereinigten Staaten. Mehr als 70 Lokomotiven und Waggons sind zu bestaunen. Drei Lokomotiven/Züge gefallen uns besonders. Die Big Boy war die grösste und leistungsfähigste Dampflokomotive der Union Pacific Railroad und eine der grössten und leistungsfähigsten der Welt. Bis zu 7000 PS brachten die Big Boys auf die Schienen, sie erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von fast 130 km/h. Die 40 Meter langen und 550 Tonnen schweren Kolosse schleppten in der Ebene 6000 Tonnen-Güterzüge.
Der Stolz des Museums ist die einzige Lokomotive der A4-Klasse in den Vereinigten Staaten. Diese britische Lokomotive wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in General Dwight D. Eisenhower umbenannt. Zusammen mit dieser Lokomotive sind zwei Wagen zu besichtigen. Diese beiden Personenwagen wurden für den Einsatz von Eisenhower während seines Aufenthalts in England umgebaut und als Eisenhowers persönliches Quartier und Besprechungsraum für seine Mitarbeiter genutzt.
Etwas komplett anderes ist der fast futuristisch anmutende Aerotrain. Er wurde entwickelt, um die breite Öffentlichkeit zurück auf die Eisenbahn zu locken. 1955 versuchten die amerikanischen Eisenbahnen, die düstere Abwärtsspirale im Personenverkehr einzudämmen. Sie suchten nach einem kostengünstigen Fahrzeug, das schnell, wirtschaftlich im Betrieb und modisch im Aussehen war. General Motors entwickelte den Aerotrain unter Verwendung bestehender Technologie aus seinen vielen Geschäftsbereichen. Das Design der Lokomotive ähnelt dem der damaligen Automobile von General Motors. Das Triebfahrzeug verfügt über eine Kabine, die das Cockpit eines Flugzeugs nachahmte. Die Zwischenwagen der Zugskomposition schliesslich, wurden aus Buskarosserien hergestellt. Der Aerotrain war für Geschwindigkeiten von über 100 Meilen pro Stunde (160 km/h) ausgelegt. Aufgrund ihrer holprigen Fahrt und der schlecht konstruierten Lokomotive waren die Prototypen jedoch bei Fahrgästen und Eisenbahnen gleichermassen unbeliebt. Nach Tests wurden die beiden Züge nur noch im Nahverkehr rund um Chicago einsetzten, wo der Aerotrain nur 60 Meilen pro Stunde fahren durfte.
Durch das Milchland Wisconsin geht es heute von Neu Franken über Luxemburg, Denmark, Kiel, Amsterdam und Belgien bis nach Milwaukee. Die Herkunft der Gründerväter dieser Orte scheint hier eindeutig. Die Fahrt ist langweilig eintönig, schnurgerade durch Felder und an Bauernhöfen vorbei. In Milwaukee stellen wir Rocky im Veterian Park an den Strassenrand. Die Signalisation deuten wir so, dass hier Parken erlaubt ist. Das Drachenfliegen, für das der Park bekannt ist, kommt später. Im Moment ist es heiss und kein Lüftchen weht.
Wir laufen erst mal zum Art Museum, beziehungsweise seinem Quadracci-Pavillon. Ein unglaublicher futuristischer Bau, der Erinnerungen an Valencia wachruft. Genau unser Ding. Die charakteristischen Flügel des Museums, sehen von oben aus wie die Schwanzflosse eines Wal. Die Brise Soleil bilden einen beweglichen Sonnenschutz aus 72 Stahlflossen mit einer Flügelspannweite von 66 m. Die grosse Empfangshalle gehört zu den vielen architektonischen Highlights des Pavillons. Komplett mit Strebepfeilern, Spitzbögen, Rippengewölben und einem Mittelschiff, das von einem 27 m hohen Glasdach gekrönt wird, ist es die Interpretation einer gotischen Kathedrale. Ein durchschnittlich grosses, zweistöckiges Einfamilienhaus würde bequem hineinpassen. Der Chor der Halle ist wie der Bug eines Schiffes geformt, mit raumhohen Fenstern mit Blick auf den Lake Michigan.
Zwischen alten Gebäuden und neuen spiegelnden Fassaden finden wir den Weg zur City Hall. Der massive, dreieckige, achtstöckige Körper des Gebäudes und der über 100 m-Turm dominieren das zentrale Geschäftsviertel. Der in Deutschland geborene Architekt Henry Koch schuf hier ein Gebäude, von dem viele glauben, dass es einem deutschen Rathaus nachempfunden ist. Auf dem mit Kunstgegenständen geschmückte Riverwalk, entlang dem Milwaukee River, lässt unsere Kehlen endgültig austrocknen. Ein kühles Bier im Milwaukee Brat House Biergarten schafft Abhilfe. Auf der anderen Strassenseite ist der Laden von Usinger’s Famous Sausage. Dort soll es die besten Würste von ganz Amerika geben. Natürlich gehen wir einkaufen und gleich um die Ecke auch noch im Käseladen. Ja, Milwaukee ist eben die deutscheste Stadt der USA. Zurück im Veterian Park schauen wir zu, wie Arbeiter die Abflugrampe für den demnächst stattfindenden Redbull Flugtag aufbauen. Schade, dass wir das nicht miterleben können, wir müssen weiter, haben in Chicago schon unseren Stellplatz gebucht. Auf der Drachenwiese geht noch immer geht kein Wind. So können wir denn auch keine Kiter beobachten oder selber unser Drachen fliegen lassen. Wenigstens findet Marcel im Kiteshop ein lange gesuchtes Ersatzteil für seinen Sturmdrachen.
Zum Übernachten fahren wir über die nahe Bundesstaatsgrenze in den Illinois Beach State Park. Hier im naturnahen Campingplatz sehen wir die sonst so scheuen Kraniche friedlich zwischen den riesigen Wohnwagen fressen, ein Reh auf dem Fahrweg lässt sich nicht stören und Eichhörnchen in grau, schwarz und rot tanzen über den Rasen. Für uns gibt es Kartoffelsalat und eine feine Usinger Wurst vom Lagerfeuer (Bem: Schweizer Würste sind trotzdem besser). Und dann leuchten auf einmal die Glühwürmchen im Gebüsch. Es gefällt uns hier gut und wir bleiben noch einen Tag. Für das Fliegengitter der Türe haben wir jetzt das richtige Material und können diese hoffentlich dauerhaft reparieren. Bei einen kurzen Strandspaziergang sehen wir im fernen Dunst bereits die Wolkenkratzer von Chicago und am Strand viele schöne bunte Steine. Nein, wir lesen keine weiter auf. Aber wir holen unsere Petoskey Steine hervor und beginnen diese mit unseren Schleifschwämmen zu bearbeiten. Der eine und andere glänzt schon ein bisschen.
Auf dem Weg nach Chicago stoppen wir bei Ikea. Ikea hat sehr schnelles freies Internet und so können wieder mal Apps heruntergeladen und aktualisiert und Daten in der Cloud gesichert werden. Als Nebeneffekt gibt es in unserer Speisekammer wieder feines schwedisches Knäckebrot.
In Villa Park, einem friedlichen Vorort von Chicago boondockern wir vor dem Haus von Patrice. Mit dem Zug fahren wir in einer halben Stunde direkt ins Zentrum. Chicago ist die drittgrösste Stadt in den USA, eine Stadt reich an Geschichte und Kultur, aber auch eine der gefährlichsten Städte in den Vereinigten Staaten. In der Tat sind die Sehenswürdigkeiten von Chicago für die Besucher aber nicht gefährlich, denn ein Grossteil der Kriminalität in Chicago ist mit Bandenkriegen, Abrechnungen und Drogenhandel verbunden.
Trotz strömenden Regen widmen wir uns lieber seiner von Wolkenkratzern dominierten Skyline. Die Geschichte Chicagos ist übrigens für immer mit der Erfindung der Wolkenkratzer verbunden. Architekten erkannten, dass Ziegel es nicht schaffen würden, wenn sie mit dem Bauen in den Himmel beginnen wollten. Ziegel konnten im Allgemeinen nur das Gewicht von Gebäuden mit bis zu fünf oder sechs Stockwerken tragen. Es war wohl möglich, Gebäude mit bis zu sechzehn Stockwerken mit Mauerwerkswänden zu errichten, diese hatten dann aber dicke, unansehnliche Wände mit kleinen Fenstern. Der ortsansässige Architekt William LeBaron Jenney überschritt im Jahr 1884 mit dem Entwurf des ersten Wolkenkratzers die Grenzen. Das 10stöckige Home Life Insurance Building war das erste Gebäude, dessen gesamtes Gewicht von einem Eisenrahmen getragen wurde. Der erste Wolkenkratzer wurde nicht nur von einem lokalen Architekten entworfen, das Great Chicago Fire von 1871 verstärkte die Notwendigkeit, die Stadt feuerfest zu machen. Mit dem fallenden Stahlpreis und dem Bau des Eiffelturms, der lehrte, wie man Metallrahmen gegen den Wind abstützt, wurde die Idee von Wolkenkratzern zu einer populäreren Bauoption.
Dass Wolkenkratzer noch heute populär sind, zeigt unser Gang kreuz und quer durch die Schluchten der modernen Riesen mit ihren markanten Formen und den grünschimmernden, silbrigen, kupferfarbigen, schwarzen Glasverkleidungen. Mittendrin behaupten sich Vintage Gebäude von berühmten Architekten mit ihren wuchtigen Sandsteinfassaden und ebenfalls beachtlichen Höhen. Zwischen den neuen Hochhäusern rattert die über 100 Jahre alte U-Bahn durch die Stadt. Es sieht hier aus wie in einem Film aus Hollywood.
Obwohl es immer noch recht regnerisch ist, wagen wir uns auf eine Schifffahrt auf dem Chicago River, die dann auch ziemlich nass endet. Während der Sightseeing Fahrt werden uns die berühmtesten Gebäude ausgiebig erklärt. Das John Hancock Center mit seiner 360° Aussichtsplattform im 93 Stockwerk; der neugotische Tribune Tower; das Wrigley Building, das erste Bürogebäude der Stadt mit Aircondition; das Carbon and Carbide Building mit seiner goldigen Spitze; das St. Regis, das höchste von einer Architektin entworfene Gebäude der Welt; der Trump Tower, der eigentlich das höchste Gebäude der Welt werden sollte; die beiden runden Marina Tower, wegen ihrem äusseren Erscheinungsbild auch «corn cobs» (Maiskolben) genannt und natürlich der berühmte Willis Tower (früher Sears Tower), das derzeit dritthöchste Gebäude der Welt. Die Spitze des Willis Towers können wir nur einmal kurz sehen, ansonsten verbirgt sie sich hartnäckig in den tiefhängenden Wolken.
Dass Chicago auch grün und volksnah ist, zeigt es im Millenium Park, der zur Jahrtausendwende auf dem Gelände eines stillgelegten Bahnhofs errichtet wurde. Der Park beherbergt eine einmalige Mischung aus moderner Architektur, beeindruckenden Skulpturen und Gartenanlagen und zieht dadurch jährlich tausende Besucher an. Der offene Jay Pritzker Pavillon wird im Sommer zum Highlight für Musikinteressierte. Für uns heute leider nicht. Obwohl am Abend ein Blues Konzert stattfindet, entscheiden wir uns gegen das Warten im Regen. Apropos Kulisse Chicagos. Wer sie etwas verzerrt sehen möchte, besucht das «Cloud Gate», von den Bewohnern Chicagos liebevoll als «Silver Bean» bezeichnet. Der Anblick des riesigen bohnenförmigen Gebildes, in dem sich nicht nur die staunenden Besucher sondern auch die Wolkenkratzer in der Umgebung spiegeln, versäumen wir natürlich nicht. Lustige Fotos garantiert.
Eine wunderschöne Stadt, die Alt mit Neu verbindet.
Kilometerweit, bzw. meilenweit fahren wir am nächsten Morgen durch Vorortsquartiere in Richtung Zentrum. Der Versuch, den Willis Tower doch noch in seiner vollen Grösse zu sehen, scheitert jedoch. Noch Immer steht er im Nebel. Schade. Also weiter nach Süden, wiederum kilometerweit, meist durch teils ärmlich wirkende Quartiere. Hört diese Stadt denn nie auf. Im Einkaufssupercenter füllen wir unseren Kühlschrank und die Küchenkisten auf. Dann geht’s in die Laundry. Heute ist Waschtag, auch das muss mal sein.
Wir entdecken ein besonderes Museum in Elkhart, Indiana. Die RV/MH Hall of Fame, die Ruhmeshalle der Freizeitfahrzeuge, zeigt eine Vielzahl historischer Campingfahrzeuge von Airstream, Winnebago und anderen amerikanischen Herstellern. Das älteste ausgestellte Fahrzeug ist ein Earl Travel Trailer von 1913, das älteste erhaltene Exemplar. Das Museum ist in Bereiche unterteilt, die wichtige Ereignisse in der Geschichte der Wohnmobile hervorheben , wie die Einführung des ersten Mikrowellenofens , der ersten Innentoilette und andere Besonderheiten. Neben Wohnmobilen und Wohnwagen sind auch die Vorgänger der Zeltklappanhänger zu sehen, wie wir viele Jahren einen hatten. Echt amüsant. Das Museum bietet auch Übernachtungsplätze für Camper an. Aber es ist noch früh, der Platz ist nahe der lauten Autobahn und es regnet wie aus Kübeln. Wir fahren deshalb südwärts und finden im Chain O’Lakes State Park einen Mückenpool für die Nacht.
Auf der Landkarte fallen uns Berne und Geneva mitten in Indiana auf. Die beiden Orte liegen nur 8 km auseinander und nahe an unserer Route. Also nichts wie hin, das müssen wir sehen. Und in Berne gibt es neben der Muensterberg Plaza mit Clock Tower (Zytgloggeturm) sogar ein Swiss Heritage Museum. Die Ausstellung ist klein, aber sehr amüsant anzuschauen. Viel alter Kleinkram wird gezeigt und irgendwie mit der Schweiz in Zusammenhang gebracht. Anschliessend werden wir mit dem Golfcart zur Schule, einem Wohnhaus, der Käserei und der Mosterei gefahren. In kleine Balenberg, das vom Schweizer Heimatschutz unterstützt wird, erfahren wir, wie die Schweizer Siedler vor mehr als einem Jahrhundert in dieser Gegend lebten.
Es gibt Riesen, die sich in den Wäldern im Südwesten von Ohio verstecken … aber keine Sorge, es sind freundliche Riesen! Riesige Trolle sind zwischen den Bäumen der Aullwood Farm in der Nähe von Dayton eingebettet. Das Ziel der Farm ist nicht nur die Trolle zu entdecken, sondern auch die Schönheit der Natur auf dem Weg zu geniessen. Vom Farmhaus aus gehen wir einen Waldweg entlang finden Mama Troll kniend mit einem Ei in der Hand. Die grosse, etwa 6 m hohe Figur ist liebevoll aus Holz gefertigt. Wir wandern weiter an den Ställen mit Hühnern, Schweinen und Schafen vorbei. Wo nur ist Papa Troll? Am Bach sitzt er und träumt vor sich hin. An einer Lichtung entdecken wir dann auch noch Bibi Troll. Sie lernt wohl gerade Fliegen. Ha, wie sie lacht und strahlt. Weiter geht es durch Blumenwiesen, Vögel und Schmetterlinge finden hier ihr Paradies. Und dann stehen wir vor dem neuesten Objekt, dem Birds Nest. Zu unserer Enttäuschung sind aber keine kleinen Trolle drin. Dem Pfad entlang zurück zum Parkplatz sind kleine Fairytail Häuschen aufgebaut, drollig.
Kein Wunder, dass Bibi Troll hier in Dayton in die Luft gehen will. Dayton, Ohio ist als Geburtsort der Luftfahrt bekannt – und wurde 2003 vom amerikanischen Kongress formal anerkannt. Es war Heimat von Orville und Wilbur Wright, den berühmten Gründern des modernen Fluges, die das erste angetriebene Flugzeug entworfen und getestet haben.
Auch in Dayton, nämlich auf der Wright-Patterson Air Force Base, ist das Nationalmuseum der US Air Force. Es ist das älteste und grösste militärische Luftfahrtmuseum der Welt. Es ist riesig, aber gut nach Äras eingeteilt. Spannend mit was für fragilen Flugzeugen bereits in den Anfängen der Fliegerei in und aus der Luft herumgeschossen wurde. Erschreckend die Entwicklung dieser teilweise schrecklichen Kriegsflugzeuge vom ersten Weltkrieg bis heute. Wir möchten gar nicht alles so genau wissen und ansehen. Interessant dann wieder die Präsidentschaftsgalerie. Neben einer Lockheed Super Constellation, steht hier als Highlight des Museums die Boeing VC-137C, die John F. Kennedy als Air Force One diente.
Bevor wir in die nächste Grossstadt fahren, geniessen wir ein paar Tage im Wolf Run State Park. Wir sind weit gefahren in der letzten Zeit und müssen nun unseren Seelen die Chance geben, uns wieder einzuholen. Der grüne Stellplatz in ruhiger Umgebung bietet als Zugabe noch ein schattiges, moosiges Plätzchen am See. Na ja, auf das heftige Gewitter in der ersten Nacht hätten wir auch verzichtet, aber zumindest hat es die Temperatur etwas gesenkt.
Pittsburgh war uns vor allem als Stadt des Stahls bekannt. Dank riesiger Kohlefelder im weiteren Umkreis wurde während dem zweiten Weltkrieg allein in dieser Region mehr Stahl produziert als in Deutschland und Japan zusammen. Einst soll man in der Stadt und der Umgebung auch tagsüber Licht benötigt haben, der Rauch hat die Sonne nicht mehr durchdringen lassen. Die Zeit der rauchenden Schornsteine ist vorbei. Heute zeigt sich Pittsburgh als moderne Hightech-Metropole mit vielen Pharma- und Softwarebetrieben.
Übrigens: Hier in Pittsburgh gab es den ersten Presseclub und 1905 eröffnete das erste Kino des Landes. Zudem wurde hier die erste Fernsehstation in Betrieb genommen, 1913 eröffnete das erste Drive-in-Restaurant der USA. Fastfood Fans unter euch seien noch darauf hingewiesen, dass der „Big Mac» von Mc Donalds in Pittsburgh erfunden wurde, und zwar bereits 1967.
Attraktiv ist auch die Lage der Stadt auf zahlreichen Hügeln und zwischen zwei von tollen Brücken überspannten Flüssen. Diese fliessen hier zum Ohio River zusammen, den mit 1579 km längsten linken Nebenfluss des Mississippi.
Wir schauen uns Pittsburgh von oben an. Nein, nicht mit dem Flugzeug oder dem Helikopter, auch nicht mit der Drohne. Das steile Südufer gegenüber dem Zusammenfluss von Allegheny River und Monongahela River überwinden wir bequem mit der kirschroten Duquesne Incline, einer der beiden gut erhaltenen, historischen Standseilbahnen. Pittsburgh hatte früher über 20 solcher Bahnen, aber nur zwei blieben erhalten. Diese Inclines wurden zumeist im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts eingerichtet, um den Stahlarbeitern, die auf den angrenzenden Hochflächen der Stadt wohnten, den schnellen Zugang zu ihren unten am Flussufer gelegenen Arbeitsstätten zu ermöglichen.
Oben angekommen bietet die Aussichtsplattform auf dem Mount Washington einen atemberaubenden Panoramablick auf Stadt der Brücken. Kleine, ältere Hochhäuser am Ufer der Downtown, dahinter die modernen, gläsernen Riesen. Eine Meile und viele Aussichtpunkte weiter geht es mit der sieben Jahre älteren Monongahela Incline wieder hinunter zum Fluss, zum Station Square.
Was als Knotenpunkt der P&LE Railroad begann, wurde in einen 2 km langen Einkaufs- und Unterhaltungskomplex mit Souvenirläden, zwanglosen Restaurants und vielen lebhaften Bars umgewandelt. Am Bessemer Court, direkt vor dem Hard Rock Café, steigt jede 20 Minuten die Waltzing Waters Liquid Show . Eine zu Musik choreografierte Springbrunnenshow schiesst Wasser aus Hunderten von mehrfarbigen Jets bis zu 12 m in der Luft. Dieser Brunnen ist genial; spielt Rock und Pop und andere Highlights mit cooler Musik, während das Wasser tanzt. Wir sehen eine halbe Stunde zu und wollen kaum mehr gehen.
Kurvig geht es weiter. Hügel auf und ab, meist durch dichte Wälder, nur selten etwas Farmland, ein Haus oder gar ein Dorf. Und dann weisen die Strassenschilder nach Punxsutawney. Noch 18 Meilen, noch 5, noch 3 und dann sind wir da. Ihr wisst nicht was an Punxsutawney besonderes sein soll? Wussten wir auch nicht, aber das grosse Schild am Stadteingang klärt uns auf. Es ist “The Weather Capital of the World”, die Wetterhauptstadt der Welt. Was soll denn das, wiederum nur ein Superlativ der Amerikaner? Doch dann begrüsst uns Phil, das Murmeltier lachend vom Strassenrand. Na klar, hier hat Phil das sagen … Und täglich grüsst das Murmeltier, die Filmkomödie aus dem Jahr 1993. Tatsächlich kommen jedes Jahr Tausende von Menschen zum Groundhog Day nach Punxsutawney, um zu sehen, ob das Murmeltier seinen Schatten wirft oder nicht. Der Brauch sieht vor, dass Phil am 2. Februar, dem Murmeltiertag, einen Schatten wegen eines sonnigen Himmels wirft und damit weitere sechs Wochen Winter voraussagt – bedecktes Wetter hingegen deute auf einen frühen Frühling hin, so der Aberglaube. Erstmals soll 1887 ein Murmeltier die Vorhersage so getroffen haben. Die Trefferquote ist allerdings gering. In den letzten 120 Jahren hatte das Murmeltier in nur 25 Prozent der Fälle recht.
Während der Ausarbeitung unsere Reiseroute durch Pennsylvania sind wir auf die Pine Creek Gorge gestossen, die als der Grand Canyon von Pennsylvania gilt. Die Informationen im Internet haben uns neugierig werden lassen. Zwar kann sie sich mit ihrer Art und den Ausmassen nicht mit dem originalen «Grand Canyon» in Arizona messen, doch ist es immer noch ein imposanter Eindruck. In der Mitte dieser komplett begrünten, 300 m tiefen Schlucht verläuft der Pine Creek George River, der von den Wäldern von Tioga und Poconos umgeben ist. Im Colton Point State Park führen Wege direkt am Abgrund entlang. Hier haben wir immer wieder die Möglichkeit, mit Fernrohren in die Schluchten zu blicken und nach Geiern zu suchen oder einfach den Gesamteindruck zu geniessen, der sich uns hier bietet.
Ausserordentlich gut gefällt uns, dass ein Besuch des Canyons und seiner Umgebung nicht mit Eintrittsgeldern verbunden ist. Man kann einfach hinfahren, aussteigen, den Canyon besichtigen und wieder wegfahren, ohne dass einen jemand zur Kasse bittet. Sogar unser Übernachtungsplatz in Tioga State Forest ist kostenlos, ein Camping Permit vom Amt für Forstwirtschaft genügt. So fahren wir dann lange auf einer schmalen Naturstrasse zu unserem einsamen Plätzchen mitten im tiefen Wald und feiern Marcels Geburtstag am Rande der Schlucht in der Ruhe der Abgeschiedenheit: Ohne Telefon, ohne Internet, ohne WhatsApp, nur Natur pur und ein feiner Cheesecake aus dem Walmart. Happy Birthday.