Tennessee, Arkansas, Texas
31. Oktober bis 30. November 2022
Mit Musik geht es weiter. Wir sind zurück am Mississippi, wir sind in Memphis. Die Stadt ist berühmt für die einflussreichen Musikrichtungen im Blues, Soul und Rock ’n› Roll, die hier entstanden. Elvis Presley, B.B. King und Johnny Cash nahmen im legendären Sun Studio Alben auf. Und Memphis hat die Beale Street, die das Pendant zur verrückten Honky Tonk Meile in Nashville sein soll. Nachmittags zeigt sich diese aber menschenleer. Wir laufen bis zum Mississippi. Auch hier fehlt etwas, das Wasser, viel Wasser. Die Riverboots stehen beinahe auf Land. Die Stadt selbst macht auf den ersten Blick einen etwas heruntergekommenen Eindruck.
Am Abend gehen wir nochmals los. Die Bars in der Beale Street sind noch immer meist leer, die laute Musik kommt aus der Konserve. Im B.B.King Blues Club werden wir fündig. Hier spielt die Big Band den erwarteten Blues, Soul und Rock ’n› Roll. Hier gibt es auch die berühmten Spareribs und American Cuisine. Wir füllen unsere Seele mit Musik und unsere Mägen mit Ribs, Hamburger und French Fries.
Und noch eine Attraktion hat Memphis zu bieten: Graceland, das Anwesen von Elvis Presley. Wir fahren auf dem Elvis Presley Boulevard daran vorbei und können dank der Höhe von Rocky ein paar Blicke über die Mauer werfen. Von einer Besichtigung sehen wir ab, der Eintrittspreis sprengt unseren Rahmen um ein Vielfaches.
Schnurgerade und topfeben durchqueren wir Arkansas auf der Interstate 30 von Memphis nach Little Rock. Die Strassenbauer hatten hier wohl nicht viele Kurven zur Verfügung. Hie und da leuchtet ein schneeweisses Baumwollfeld, meist jedoch begleiten uns nur riesige, abgeerntete Flächen. Auch hier ist der Wassermangel deutlich zu sehen.
Von Little Rock an windet sich die Strasse dann auf und ab durch die Hügel nach Hot Springs. Hot Springs steht als Ikone der Heilung und als Hommage an das „American Spa“ des 20. Jahrhunderts. Die Heilkraft der heissen Quellen war den indigenen amerikanischen Stämmen schon vor rund 14.000 Jahren bekannt. In der jüngeren Vergangenheit errichteten die ersten Siedler zunächst einfache Hütten an den Badeplätzen. Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich Hot Springs zu einer blühenden Kurstadt im europäischen Stil, die um acht Badehäuser herum verankert war. Dieses Gebiet wurde zusammen mit der Grand Promenade 1987 als National Historic Landmark District ausgewiesen.
Das Fordyce Bathhouse ist das grösste und teuerste Badehaus der Row. Es fungiert heute als komplettes lebendiges Geschichtsmuseum, dass die eine Reihe historischer Exponate über den Betrieb und die Annehmlichkeiten eines Badehauses die Geschichte der Spa-Praktiken in Europa und den Vereinigten Staaten enthält. Uns erinnert es an ein russisches Krankenhaus in Eriwan, Armenien, das wir kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion einmal besuchen konnten. Oder eher noch an die Nervenheilanstalt aus dem Film «Einer flog über das Kuckucksnest». Von den Wassertherapien, die hier gegeben wurde gruselt einem. Mit Wassernadeln, höchstens eine Minute lang oder Abspritzen mit Hochdruck aus einer Art Feuerwehrschlauch. Auch die Sauna ähnlichen Sitzbäder, eingepackt bis zum Hals in einer Metallkabine, sehen nicht gerade einladend aus. Die Decke aus Tiffanyglas im Männerbad ist das Einzige hier, was gefällt.
Traditionelle europäische Bäder und Behandlungen werden heute nur noch in zwei der alten Badehäuser angeboten. Wie es da drin wohl aussehen mag? Etwas geschockt vom Gesehenen und der hohen Wassertemperaturen von 62°C verzichten wir.
Das einzig aufregende in Murfreesboro soll der Freitagabend sein, wenn die lokale Football Mannschaft ein Heimspiel hat. Mag spannend sein, aber deswegen hat es uns nicht hierhergezogen. Im naheliegenden Crater of Diamond State Park kann jeder nach Edelsteinen schürfen, ja, man soll die Diamanten einfach so auflesen können. Mehr als 34’000 Diamanten wurden in den letzten 50 Jahren gefunden. Das lassen wir uns nicht entgehen. Ausgerüstet mit Schaufel, Sieb und Eimer und der entsprechenden Einweisung ziehen wir los. Ein grosses, zerfurchtes Feld liegt vor uns, es gleicht eher einem Kartoffelacker. Leute graben an verschiedenen Stellen. Eher links sollen wir suchen, hat Sarah vom Campingplatz empfohlen. Wir graben etwas hier und dort, füllen unseren ersten Eimer mit Dreck und schleppen ihn zum Wasserbecken. Im Sieb wird erst die Erde von den Steinen gewaschen und die grösseren Steine entfernt. Die Kleineren bleiben im zweiten Sieb und werden mit professionellen Bewegungen so geschüttelt, dass die schwereren Edelsteine inklusive Diamanten sich in der Mitte sammeln. Einmal gekonnt ausgekippt und … nichts glitzert metallisch wie ein Diamant. Also ab auf das Feld und den nächsten Kübel Rohmaterial holen. Um vier Uhr schliesst das Diamantenfeld. Der Rücken schmerzt. Den grossen Fang haben wir nicht gemacht. Reich werden ist hier nicht so einfach. Wir überlassen das anderen Glücksrittern, wir wollten ja sowieso keine Steine mehr sammeln. Das Bier haben wir uns heute aber sicher verdient.
Hundemüde sind wir um 8 Uhr bereits ins Bett geschlüpft. Da klopft Sarah an der Türe: Tornadowarnung. Der sichere Platz auf dem Campingplatz ist das Badehaus. Kurz darauf bekommen wir die Warnung auch per SMS. Zu müde, um noch bis zum Badehaus zu stolpern, gehen wir das Risiko ein und bleiben im Fahrzeug. Um 9 Uhr ist der Spuk vorbei. Ein heftiges Gewitter mit starkem Regen ist über uns hinweg gezogen, aber zum Glück kein Tornado.
Wir überqueren die Grenze zu Texas, dem flächenmässig zweitgrössten Staat der USA nach Alaska. Wir erwarten wunderschöne urtümliche Naturlandschaften, Kakteen, Ölfelder, Cowboys und unendliche Prärien. Unser Weg führt uns erst einmal mitten durch den Staat an die (hoffentlich) noch immer warme Golfküste bei Corpus Christi. Und der Lone Star State zeigt tatsächlich, was er verspricht. Unendlich weite Felder, grosse Herden mit kräftigen Kühen. Schmucke Torbögen zieren die Einfahrten zu den Ranches. Dazwischen immer wieder eine Ölförderpumpe, sowie unschöne Rohre und Tanks vom Fracking.
Unschön tropft auch Rocky auf den Parkplatz. Irgendwo tritt Diesel aus, nur wo? Marcel findet nach einiger Suche den Übeltäter. Der Vorfilter ist undicht und tropft bedenklich bei laufendem Motor. Nach Rücksprache mit Europa beschaffen wir uns einen Verbinder und legen einen Bypass. Na also, geht doch. Wir sind wieder unterwegs.
Ah, der Lone Star State. Sogar diejenigen, die innerhalb seiner Grenzen leben werden zugeben, dass Texas einen bestimmten unnachahmlichen Platz in den Vereinigten Staaten einnimmt. Es hat eine unabhängige Geschichte, die für sich alleinsteht und gleichzeitig das Ideal des wahren Amerikaners repräsentiert. Irgendwelche Parallelen zu einem gewissen Freistaat in Deutschland sind wohl rein zufällig. All die unvergleichliche Freiheit, kombiniert mit einer berühmten pastoralen Einstellung, hat zu einigen ziemlich seltsamen Gesetzen geführt:
Zum Beispiel zu einem echten Verbrechensbekämpfungsgesetz: Sagen wir, du willst jemanden ausrauben. Du hältst ihm eine Waffe ins Gesicht und nimmst sein Geld. In Texas bist du gesetzlich dazu verpflichtet, dem Opfer mindestens 24 Stunden vor dem Überfall eine Benachrichtigung zu schicken – entweder mündlich oder schriftlich. Das bedeutet wohl, dass das Begehen eines Verbrechens in Texas sofort eine doppelte Straftat ist.
Wir suchen noch immer den echten texanischen Cowboy. Hoch zu Pferd, mit Lasso und Stetson Hut. Die sind aber wohl eher Geschichte. Der moderne Cowboy ist im getunten Dodge RAM oder im Ford F Pick-up Truck mit Doppelbereifung und Spezialaufhängung unterwegs. Geschichte finden wir auch im Cotton Gin Museum im Städtchen Burton. Die kleine ländliche Gemeinde kann sich rühmen, den ältesten Cotton Gin in Amerika zu betreiben. Die Cotton Engine, kurz Cotton Gin, war eine Erfindung, die die Verarbeitung von Baumwolle revolutionierte. Die Ernte von Baumwolle war jahrhundertelang sehr zeitaufwändig und konnte so viel kosten wie Seide. Dies lag daran, dass Baumwolle als Wattebausch am Ende eines Stängels wächst, Samen jedoch tief darin eingebettet sind. Diese Samen mit der Hand herauszuziehen war sehr zeitintensiv und hemmte die Baumwollproduktion. Der Cotton Gin war deutlich schneller.
Heute ist der Burton Gin das einzig verbliebene, voll funktionsfähige Beispiel des einst allgegenwärtigen Baumwoll-Gins. Ein Spektakel an Mechanik mit Riemen und Rädern, angetrieben von einen über 100 jährigen 16-Tonnen-Bessemer-Typ-IV-Diesel-Verbrennungsmotor, der jedes Jahr beim jährlichen Cotton Gin Festival sein Durchhaltevermögen unter Beweis stellt. Und ja, er kann immer noch, wie die Besten von ihnen, Baumwolle entkörnen und ballen.
Wenn man Texas denkt, so stellt man sich eigentlich keine atemberaubenden Strände, weisse Dünen, unberührten Lagunen, Sumpfgebiete und Küstenlandschaften vor. Südlich von Corpus Christi liegt jedoch die grösste unbebaute Barriere Insel der Welt. Nur die Nordspitze ist bewohnt, dahinter liegt im Nationalpark Padre Island National Seashore der längste unbebaute Strand der USA. Über 130 Kilometer leere, weisser Sandküste. Fahrzeuge können auf weiten Teilen des Strandes ohne eine spezielle Genehmigung fahren und sogar campen, in Europa kaum vorstellbar. Wir wollen hier ein paar Tage verweilen und noch einmal etwas Strand und Wellen geniessen. Da der Wetterbericht neben Sonne auch Wind und Gewitter verspricht, lassen wir uns auf dem Malaquite Campground direkt hinter den Dünen nieder. Hier sind wir wenigstens etwas geschützt. Ein kurzer, vorsichtiger Gang über die Düne – es soll hier Klapperschlangen geben – bringt uns zum scheinbar unendlich langen Strand. Erstaunlicherweise ist das Wasser auch in dieser Jahreszeit noch angenehm warm, die Wellen laden jedoch nicht unbedingt zum Bade.
Am Tag stellen wir uns dann mit Rocky an den Strand, und geniessen im Schatten der Markise das geschäftige Treiben der verschiedenen Strandvögel. Von kleinen Gelbfuss-Regenpfeifer bis zum langschnäbligen Brachvogel, alle picken sie ein paar Male im Sand, bevor es gilt, vor der nächsten Welle davonzuspringen. Nur Meter von uns entfernt graben Sandkrabben ihre Höhlen und verschwinden darin, sobald wir uns bewegen. Formationen von Pelikanen fliegen über uns oder schweben beeindruckend nahe über die wellige Wasseroberfläche. Gegen Abend kommen schwere Wolken auf und so begeben wir uns zurück auf den sicheren Stellplatz.
Bevor wir Padre Island verlassen, fahren wir noch einmal den einsamen Strand entlang. Irgendwo weiter südlich soll ein Abschnitt mit vielen Muscheln sein. Die Muscheln findet wir nicht, dafür das Overlander Zebra mit Harriet und Oli aus Berlin. Erikas Bruder Max hat schon öfter davon gesprochen, dass sie in dieser Region unterwegs sind. Sofort halten. Es bleibt nicht nur beim kurzen hallo sagen. Nein, ein längeres interessantes Gespräch hält uns und auch die Beiden vom weiteren Weg ab. Naja, wir verpassen nichts.
Das Aransas National Wildlife Refuge ist besten bekannt als Überwinterungsquartier des letzten wilden Schwarms der gefährdete Whooping Cranes, Schreikraniche. Als wir von unseren Glücksvögeln hören ist für uns klar, da müssen wir hin, die wollen wir sehen. Der Whooping Crane ist der grösste Vogel Nordamerikas. Sein Gefieder ist schneeweiss, bis auf die purpurrote Kappe und die schwarzen Flügelspitzen, die jedoch nur im Flug zu sehen sind. Die scheuen Vögel haben eine Flügelspannweite von mehr als 2 m und erreichen eine Grösse etwas 1.5 m. Ebenfalls 1.5 m lang ist ihre Luftröhre, die sich um ihr Brustbein windet. Es ermöglicht dem Vogel, einen lauten Ruf zu geben, der über grosse Entfernungen zu hören ist. Die Art ging in den 1940er Jahren auf etwa 20 Vögel zurück, aber durch ein innovatives Programm, ist ihre Zahl heute auf etwa 600 gestiegen. Im Park wird uns gesagt, dass erst wenige angekommen sind und wohl nur auf grosse Distanz zu sehen sind. Zu unserer Freude sehen wir bereits im Goose Island State Park ein Paar mit einem braungefiederten Jungen aus nur etwa 250 m Entfernung. Im Wildlife Refuge hören wir schon beim Visitor Center die Kraniche flöten. Auf dem Heron Flat Trail passieren wir dann noch einmal eine Whooping Crane Familie. Welch ein Glück. Der Alligator Opa sonnt sich am Ufer, viele verschiedene Reiher stehen im seichten Wasser und in der Ferne entdecken wir eine Gruppe Sandhill Cranes. Zum Abschluss fliegt eine grössere Gruppe in schöner V-Form über uns. Auch Sandhill Cranes können Formation fliegen.
Es ist so weit. Auf dem RV-Park in Victoria treffen wir uns mit Erikas Bruder Max und seiner Frau Marion. Die beiden sind in ihrem selbstgebauten Overlander Camper vor 3 ½ Monaten in British Columbia gestartet, wo sie seit 32 Jahren leben. Sie haben den Indian Summer in Neufundland erlebt und sind danach, quasi hinter uns her, der Ostküste entlang nach Süden gefahren. Die nächsten Monate werden wir zusammen reisen, neue Ziele entdecken und das Overlander Leben geniessen. Wir freuen uns darauf. Jetzt wird aber erst einmal Wiedersehen gefeiert.
Unsere erste gemeinsames Fahrt führt uns nach San Antonio, Texas. Unglaublich wie viele Ölförderstellen wir unterwegs sehen. Die alten, nickenden Pferdekopfpumpen wurden jedoch an den meisten Orten durch unscheinbare Hydraulikpumpen ersetzt, schade. Da kommt das Dorf Smiley gerade richtig.
In San Antonio angekommen schlendern wir erst mal dem River Walk entlang. Die unterhalb der Strassenhöhe angelegte Fussgängerpromenade windet sich entlang dem San Antonio River mitten durch die Stadt und ist von mehreren Brücken und Zugangspunkten aus zugänglich. Der River Walk ist das Zentrum der abendlichen Unterhaltung mit Restaurants, Cafés, Musik. Die gute Stimmung mag jedoch bei den frischen Temperaturen nicht richtig aufkommen. Unsere erweiterte Runde zum Market Square überzeugt nicht wirklich. Dafür finden wir einen großartigen Gratisparkplatz für unsere Fahrzeuge.
Am nächsten Tag lassen wir den River Walk noch einmal auf uns wirken. Diesmal gleiten wir bequem und witzig präsentiert auf einem der umweltfreundlichen elektrischen Flussboote am Uferweg entlang. Vorbei am Arneson River Theater mit seiner Open-Air-Bühne, am Briscoe Western Art Museum mit seinen Bronzefiguren und an der Heiratsinsel mit der uralten Zeder.
Die franziskanischen Mönche, die im 18. Jahrhundert aus Spanien eintrafen, bauten langlebige Missionsstationen aus Stein, in denen sie die Eingeborenen christianisieren wollten. In Einzelfällen dienten die Missionen auch als Festungen, wie das berühmte Beispiel The Alamo. Die Missionskirche, eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten nicht nur von San Antonio, sondern des gesamten Bundesstaates, war 1836 Schauplatz einer berühmten Schlacht im texanischen Unabhängigkeitskrieg und gilt als Nationalheiligtum. Was genau an The Alamo so sehenswert sein soll, entzieht sich uns, ausser vielleicht, dass hier eine Kirche für Kriegshandlungen missbraucht wurde. So wurden in der Kirche Munition gelagert und Kanonen abgefeuert.
Wenn die Cowboys nicht zu uns kommen wollen, gehen wir halt zu ihnen. In Bulverde, nahe San Antonio findet von März bis November jeden Freitagabend ein Rodeo statt. Also nichts wie hin. Wir parken unsere Fahrzeuge mitten zwischen den Pferdeanhängern. Hier dürfen wir über Nacht bleiben. Gut genährt mit Schweinebraten, Wurst und Spare Rips begeben wir uns in die Arena, die trotz des kalten Wetters schon gut gefüllt ist. Obwohl wir warm angezogen sind, frieren wir beim Sitzen auf den Bänken aus Metall. Kein Wunder, das Thermometer auf dem Handy zeigt nur 4°C. Also schnell noch in den Country Shop und eine Decke kaufen. Dann geht das Spektakel los.
Hoch zu Pferd wird stolz die amerikanische und die texanische Flagge präsentiert. Das Publikum steht auf, aus dem Lautsprecher tönt ein Gebet, das um einen unfallfreien Wettbewerb bittet. Dann werden die beiden Hymnen gespielt. Und dann, dann geht es wirklich los. Verschiedene spektakuläre Disziplinen stehen hier auf dem Programm: Bullenreiten, Barrel Racing und Kälberfangen. Mit dem Lasso einfangen, Mal an den Hörnern, mal an den Beinen. Der absolute Publikumsliebling ist jedoch das Mutton Bustin. Wie beim Bull Riding, geben hier Kinder von 5 bis 7 Jahren ihr Bestes, um sich so lange wie möglich an einem Schaf festzuhalten, das wild über die Rodeo-Arena läuft.
Nach dem Rodeo tanzt die Dorfjugend zu live Country Musik. Cowgirl sucht Cowboy und umgekehrt. Wir schunkeln mit. Schön war’s. Saukalt, aber welch ein Spass.
Ein Freund von Max aus Neuschottland hat uns eine Adresse in Texas vermittelt. Der neue Dieselfilter für Rocky und ein paar Ersatzfilter für den Mercedes von Max sind aus Europa dort angekommen. Bei Bill und Carol in Fredricksburg werden wir sehr gastfreundlich empfangen. Hier können wir unsere Post abholen.
Carol und Bill fahren uns in ihren Autos 30 km weit entfernt zum Mittagessen. Texas Barbecue bei Cooper’s in Llamo, unser heutiges Highlight von dem wir sicher noch lange reden werden. Die Smocker stehen in Reih und Glied vor dem Restaurant. Riesige Stücke verschiedenen Fleisches und Wurst werden hier gegrillt. Nach Wunsch werden davon Teile abgeschnitten und auf ein Tablett gelegt. Gewägt, bezahlt und schon kann geschmaust werden. Die Atmosphäre ist rustikal, aber auch speziell. Wir geniessen diese Art von Mittagessen sehr. Die Reste werden eingepackt, die reichen für den nächsten Tag. Unsere Augen waren wohl grösser als der Hunger. Sozusagen als Verdauungsspaziergang fährt uns Carol zum Sightseeing durch Fredricksburg.
Unglaublich diese Gastfreundschaft. Obwohl wir die beiden vorher nicht gekannt haben, ist am nächsten Morgen der Frühstückstisch bereits gedeckt. Duschen im Haus ist keine Frage. Wir können Kleider waschen, Wasser auftanken, Toilette entleeren. Alles scheint selbstverständlich. Danke Carol und Bill, wir haben uns bei euch sehr wohl gefühlt.
Wir fahren durch hügeliges, unwirtliches Farmland. Meist bedeckt mit Sträuchern, teils sehr steinig, dazwischen Bäume, kurze, knorrige Eichen. Hier leben Rehe und Javelinas, Wildschweine. Die Gegend gleicht der Dehesa in Spanien, dort wo der Serano Schinken weidet. Schöne Einfahrten mit prachtvollen Toren, schön geschmückt für Thanksgivings, weisen den Weg zu Farmen. Farmhäuser sind nicht zu erkennen, dafür weiden hier Ziegen, Schafe, kräftige, schwarze Kühe im hohen, ausgetrockneten Gras.
Es ist kühl und der Himmel bedeckt als wir auf dem Rim Trail im Seminole Canyon State Park wandern. Durch Kakteen und Blumen, Sträucher und Buschwerk geht es zum Rio Grande. Der knappe Regen der letzten Tage hat der Vegetation einen Hauch von Grün gezaubert. Wildschweine kreuzen knapp von uns den Weg. Steil fallen die ausgewaschenen Felsen ab zum Rio Grande. Der jedoch enttäuscht. Statt dem erwarteten breiten Strom zeigt sich am Grund der Schlucht nur ein schmales Wasser inmitten der Büsche. Der Trail folgt den Kurven des Abgrunds und bietet unvergessliche Ausblicke auf gelbbraune Kalksteinfelsen, dort wo die zerklüftete Landschaft in die Seminole-Schlucht übergeht. Auf der gegenüberliegenden Seite erkennen wir in der Panther Cave einige der ältesten Felsmalereien Nordamerikas. Das Wasser des Seminole River verhindert, dass wir diese von der Nähe betrachten können. Aber den roten Panter können wir auch aus der Ferne erkennen.
Einen speziellen Platz haben wir uns für die Nacht ausgesucht. Auf der Aussichtsplattform hoch über dem Rio Pecos stellen wir unsere Fahrzeuge ab. Die Aussicht auf den Fluss und die Brücke ist phänomenal. Da die Grenze zu Mexiko nicht weit ist, erwarten wir Besuch der Border Control, Grenzkontrolle, die hier allgegenwärtig ist. Aber die Nacht bleibt ruhig. Eine grosse Überraschung dann am Morgen: Wir stehen im dichten Nebel, die schöne Brücke ist nur schemenhaft zu erkennen.
Auf dem Weg zum Big Bend National Park wird die Umgebung immer mehr zur Wüste. Dafür steigt das Thermometer endlich einmal wieder über 20°C. Mit viel Glück erhaschen wir zwei Plätze auf dem Campground im Chisos Basin, es scheinen die letzten im ganzen Park zu sein. Es ist Thanksgivings Wochenende. Die Begrüssung des Rangers ist dann auch entsprechend. «Happy Thanksgivings. Have you ever been in Big Bend on Thanksgivings? It’s very busy here that time. Don’t do it again. »
Auf dem Campingplatz inmitten prächtiger Felsformationen geht es wirklich geschäftig zu und her. Ihren obligaten Thanksgivings-Truthahn bereiten die Amerikaner auch hier zu, auf dem Feuer vor dem Zelt, mitten in der Bergwelt. Schnell ist es dunkel und ein unglaublicher Sternenhimmel begleitet uns in die Nacht.
Am Morgen sind sowohl der Sternenhimmel als auch die Felsformationen verschwunden, dichter Nebel versperrt die Sicht. Es regnet und ist kalt. Unsere Mitcamper in den kleinen Zelten sind nicht zu beneiden. Alle Gedanken an eine Wanderung sind verschwunden, dafür bleibt Zeit, die nächsten Tage zu planen. Ein kurzer, nasser Spaziergang bringt uns hoch zur Lodge. Kaffee und Kuchen wäre unsere Vorstellung gewesen. Aber sie haben kein Wasser. Sie reparieren noch an der Leitung. Und dann beginnt es auch noch zu schneien.
Der Sonnenaufgang entschädigt uns für den verregneten und verschneiten kalten Vortag. Vor dem wolkenlosen, stahlblauen Himmel leuchten golden die Bergspitzen mit einem Hauch von Weiss. Zuerst wollen wir zum Balanced Rock. Auf einem ungeteerten Nebenweg mit wenig Unterhalt, einer Dirtroad, geht es durch die Ebene, durch Kakteenfelder in diversen Formen und Farben. Ziemlich durchgerüttelt kommen wir am Trailhead an. Die Felsformationen sind fantastisch. Überall sehen wir Figuren, Gesichter und Felsbrocken, die zu balancieren scheinen. Eine kurze Kletterpartie später stellen wir uns in die Reihe zum Fotografieren beim eigentlichen Balanced Rock. Die Aussicht ins Tal scheint endlos.
Im Visitorcenter ergattern wir ein Permit für einen Backcountry Campground, also einen Zeltplatz weit ab der Zivilisation. Perfekt. Diese Plätze sind nur auf Dirtroads zu erreichen und diese hat es in sich. Schon bei der ersten ausgetrockneten Furt steht Rocky’s langes Hinterteil fast auf. Aber alles geht gerade noch mal gut. Unser Platz für die nächsten zwei Tage ist noch besser als erwartet. Nur wenige Meter von der mexikanischen Grenze entfernt, auf einer kleinen Ebene, mit direktem Blick auf den Rio Grande. Pferde kommen vorbei. Steine werden studiert. Auf dem Platz liegen Achate, unten am Fluss finden wir grosse Blöcke mit handgrossen, versteinerten Muscheln.
Bald senkte sich die Sonne. Dort wo sie verschwunden ist, leuchtet der Horizont noch lange in unbeschreibbaren Farbentönen, die mit der Kamera kaum eingefangen werden können. Dann ist es dunkel. Weit und breit erhellt kein Licht die einsame Nacht. Wir liegen in unseren Stühlen unter dem intensiven Sternenhimmel und zählen die Sternschnuppen.
Nach dem Frühstück in der Sonne machen wir uns auf den Weg. 40 km Dirtroad führen uns durch unglaublich schöne Wüstenszenerie. Wir benötigen fünf Stunden. Die Fahrt quer durch Big Bend ist eine Reise durch stark kontrastierende Umgebungen, ein Abenteuer für die Wahrnehmungen. Sand, Steine, Felsen. Mal rund, mal eckig und kantig. Das ganze Spektrum von Erdfarben. Gut vorstellbar, dass hier einmal Dinosaurier gelebt haben. Und die haben vor tausenden von Jahren tatsächlich hier gelebt, wie die Fossil Discovery Exhibition zeigt. Der Star der Ausstellung ist sicher das lebensgrosse Knochengerüst eines Quetzalcoatlus, der vielleicht grössten fliegenden Kreatur, die je gelebt hat.
450 m hohe Kalksteinklippen erheben sich im Südwesten des Nationalparks. Dort wo diese durchbrochen sind, fliesst der Rio Grande durch den Santa Elena Canyon. Wir klettern in die tiefe Schlucht hinein, die Felswände spiegeln sich im Wasser. Rechts liegt Amerika und links, über dem Rio Grande, Mexico, nur ein Steinwurf entfernt.
Und noch einen Canyon gibt es zu erlaufen, den Tuff Canyon. Dieser ist zwar nicht ganz so eindrucksvoll, aber nicht weniger einmalig. Die weissen, rundgeschliffenen Kalkwände laden ein, dem kurzen Trail bis zum Boden der Schlucht zu folgen. Wir spazieren zwischen den hoch aufragenden Wänden bis wir nicht mehr weiterkommen.
Nach einer Woche verlassen wir den Big Bend National Park auf der Old Maverick Road, einer weiteren Dirtroad. Viel haben wir entdeckt, erlebt und genossen in der Wüste. Wüste kann so schön sein.