Arizona
29. Oktober 2023 bis 29. November 2023
Hoch ragen die roten Felsen und zerklüfteten Sandsteinkuppen des Red Rock Country in den strahlend blauen Himmel. Benannt sind sie nach ihren Ähnlichkeiten mit Kathedralen, Glocken, Schornsteinen und Kaffeekannen. Nicht dass wir Ähnliches schon in Utah, Nevada und Arizona gesehen haben, aber hier in Sedona kommt eine Komponente hinzu. Bis weit nach oben wachsen Nadelbäume in den Felsen und runden die farbenfrohe Kulisse mit ihrem satten Grün ab. Wir sind begeistert.
Wir erreichen Sedona am frühen Samstagnachmittag. Von sinnlich keine Rede. Wohl beherrscht die rote Umgebung die Szenerie. Das Städtchen aber quillt über von Touristen, die Strassen sind hoffnungslos verstopft, jeder Parkplatz scheint besetzt. Wir stauen uns einmal durch und schauen schon mal links und rechts, ob es etwas Interessantes zu sehen gibt. Weit ab vom Rummel entfliehen wir am andern Ende mitten in die wüstenähnliche Landschaft. Dort finden wir den perfekten Platz für ein ruhiges Wochenende, mit Sicht auf die schönen roten Riesen. Am Montag sehen wir weiter.
Am Montag werden wir geweckt von lautem Zischen und Fauchen. Zwei Heissluftballone schweben nur wenige Meter über unser Wohnmobil, bevor sie ganz in der Nähe landen.
Schon mal wach, holpern wir nach dem Frühstück auf der Naturstrasse zurück in die Zivilisation. Die Strassen sind frei, die Menschenmassen scheinen verschwunden. Obwohl hier über 11’000 Personen leben, sind neben der Hauptstrasse kaum Häuser zu erkennen. Versteckt in den Bäumen, meist einstöckig und ausschliesslich in Erdtönen gehalten, fügen sich fantastische Villen schier unsichtbar in die Landschaft ein. Die Stadt kümmert sich so sehr um ihre Ästhetik, dass sogar McDonald’s sein berühmtes gelbes Logo in Blaugrün ändern musste. Vertreter von Sedona befürchteten, dass das riesige goldene M mit den Farbtönen der umgebenden Landschaft kollidieren würde.
Gut integriert zwischen massiven roten Felsbrocken ist auch die Chapel of the Holy Cross – die Kapelle des Heiligen Kreuzes. Das Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster fällt, öffnet einen malerischen Blick auf den weiten, trockenen Horizont. Obwohl das 30 Meter hohe Kreuz der Fassade die Kapelle eindeutig zu einem christlichen Denkmal macht, beschreiben Besucher den Weg hinauf zur Kapelle auf den roten Felsen oft als spirituelles Ereignis. Das Bauwerk befindet sich nämlich im Herzen dessen, was viele als einen Vortex, ein wirbelndes Energiezentrum, bezeichnen. Sedona selbst ist für seine Verbindung zur New-Age-Mystik und den angeblichen Energiewirbeln am Rande der Stadt bekannt.
Mehr als 400 km Wanderwege gibt es in der Gegend von Sedona. Wir entscheiden uns für den spannenden Soldier Pass Trail, der an einer geheimen Höhle vorbeiführen soll. Die Höhle ist so geheim, dass Wegzeichen, die den Pfad dahin weisen, periodisch von den Rangern entfernt werden. Schon bald stehen wir am Devil’s Kitchen Sinkhole, einem 45 m breiten und 15 m tiefen Erdloch, das noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Nur einen halben Kilometer weiter stossen wir auf die Seven Sacred Pools – die Sieben Heiligen Teiche, eine Reihe aufeinanderfolgender Teiche entlang eines Sandsteinrückens. Während die Becken bei unserem Besuch fast trocken waren, bilden sie nach starkem Regen eine Reihe kaskadierender Wasserfälle. Dann schlängelt sich der Weg idyllisch auf und ab durch den lockeren Wald aus uralten Wacholderbüschen und Kakteen. Die Sicht auf die riesigen roten Felsformationen lässt uns viele versteinerte Gesichter und Gestalten erkennen.
Sitzt da oben nicht Kleopatra auf einen Kamel? Dann die entscheidende Kurve. Der Wanderweg zeigt eindeutig nach links. Aber die meisten Spuren führen weiter geradeaus auf den Pfad zur geheimen Höhle.
Der Weg führt zu einer offenen Tafelebene und über loses Gestein weiter steil hoch zum Fuss einer Klippe. Ein haltsuchender Griff links oder rechts des Pfades ist nicht zu empfehlen, denn da wachsen die stachligsten Kakteen. Bereits können wir einen Torbogen in der Klippe entdecken, in dem sich die Soldier Pass Cave versteckt. Der eigentliche Zugang bedeutet eine kleine Klettertour durch eine schmale, senkrechte Rinne mit meterhohen Stufen. Das Innere der Höhle ist mehr eine riesige Spalte mit schmalen Simsen und einem Bogenfenster mit Blick auf die roten Felsen von Sedona. Licht dringt durch die Spalten und ergibt raffinierte Bilder aus schwindelerregenden Positionen. Es macht viel Spass, damit herumzuspielen, zumal Marcel die Höhle für sich allein hat.
Am 2. November feiert Mexiko den «Dia de los Muertos», den Tag der Erinnerung an die lieben Verstorbenen. Die Gräber werden gereinigt und mit Blumen geschmückt. Man hält Nachtwache auf dem Friedhof, um mit den Verstorbenen zu reden. Besprenkelt das Grab mit alkoholischen Getränken. Den auch die Toten feiern gerne. Um die Verstorbenen willkommen zu heissen, baut man kunstvolle Altäre auf. Viele finden Trost in dem Gefühl, dass die verlorenen geliebten Menschen zu dieser Zeit präsent sind. Bunte süsse Totenschädel, Särge aus Schokolade, aber auch Skelette, prägen die Feierlichkeiten. Das starke spirituelle und familiäre Bewusstsein der Mexikaner zeigt sich an diesem Tag besonders.
Gerne hätten wir diesen bunten, freudigen Festtag in Mexiko erlebt, aber die Orte, wo vor allem gefeiert wird, liegen noch zu weit entfernt. Sedona lässt uns etwas an der jahrtausendealten mexikanischen Tradition schnuppern. Das Kunst- und Einkaufsdorf Tlaquepaque ist authentisch einem traditionellen mexikanischen Dorf nachempfunden. Entsprechend sind zum Dia de los Muertos überall farbenfrohe Altäre und grossformatige Installationen aufgestellt. Die Wege, Innenhöfe und Brunnen von Tlaquepaque sind magisch dekoriert.
Natürlich muss man auch in Sedona nicht alles erwandern, denn auch hier gibt es eine Autotour vorbei an den wichtigsten Aussichtspunkten. Die Sicht wird jedoch immer schlechter. Ist es Dunst, oder gar Smog? An der Tankstelle erhalten wir Klarheit: es ist Rauch, Rauch von präventiv gelegten Feuern. Um unkontrollierbare Wildfeuer zu verhindert, werden hier bewusst Feuer gelegt, die dann die Luft im gesamten Tal verpesten!? Gibt es im Jahr 2023 wirklich keine umweltschonenderen Möglichkeiten im grossen Amerika?
So umgeben uns «Smokey Mountains» auf dem Weg zum Montezuma Castle National Monument in Camp Verde. Wie ein altes fünfstöckiges Wohnhaus thront das Bauwerk über der Wüste darunter, ein Wunderwerk früher architektonischer Ingenieurskunst aus Stein und Mörtel. Experten haben festgestellt, dass die Burg über drei Jahrhunderte hinweg erbaut wurde und den Sinagua-Indianern während den Überschwemmungszeiten Schutz bot. Entgegen der Annahme Euroamerikanischen Entdecker des Bauwerks gibt es jedoch keine historische Verbindung zum aztekischen Kaiser, nach dem es benannt ist. Das Bauwerk wurde mehr als 40 Jahre vor seiner Geburt verlassen.
Im Salt River Valley finden wir eine rauchfreie Zone und lassen uns am Theodore Roosevelt Lake, mitten in der Wüste nieder. Der See wurde vor über hundert Jahren durch den Roosevelt Dam aufgestaut. 100’000 Kubikmeter Felsblöcke wurden aus den Wänden des Canyons geschnitten, mit Seilwinden gehoben und gezogen und in den Damm eingepasst. Es war nicht ungewöhnlich, dass das Seil sich verhedderte oder gar riss und die riesigen Monolithen gegen die Wand des Canyons schlugen oder in die darunterliegende Baustelle fielen. Als die Talsperre fertiggestellt war, war es der grösste Steindamm der Welt. Mitte der 90er Jahre wurde das Bauwerk durch eine Beton-Schwerkraftbogenmauer ersetzt. Änderungen am Roosevelt Damm waren erforderlich, da festgestellt wurde, dass bei Überschwemmungen weitaus grössere Wassermassen in das Reservoir fliessen könnten als ursprünglich für möglich gehalten. Das Anheben der Stauhöhe um 23.5 m hat die Speicherkapazität um 20 Prozent, auf insgesamt mehr als 1,8 Millionen Acre-Foot erhöht.
Wir stossen hier auf eine uns bisher unbekannte Masseinheit des imperialistischen Masssystems: Ein Acre-Foot ist eine in den Vereinigten Staaten benutzte Volumenmass-Einheit, wäre bei uns so etwas wie ein Hektar-Dezimeter. Es wird vorzugsweise für grossräumige Wasserbehälter, Aquädukte, Kanäle und Stauseen verwendet. Ein Acre-Foot ist die Menge an Wasser, die benötigt wird, um einen Acre Land einem Fuss tief zu füllen und entspricht 1’233.5 Kubikmetern. Es ist ungefähr die Menge an Wasser, die von einer vierköpfigen amerikanischen Familie in einem Jahr verbraucht wird!
Uns gefällt es am Roosevelt Lake. Wir haben einen Platz hoch oben über dem Wasser mit Seeblick von der eigenen Terrasse. Zwischen Büschen und Kakteen zwitschern endlich einmal wieder die verschiedensten Vögel. White-crowned Sparrows und Cactus Wrens hüpfen singend durch die Zweige, der Gila Woodpecker sitzt hoch oben auf dem Kandelaber Kaktus und die lustigen Helmwachteln, die Gampel’s Quail, rennen trötend über die Wege. Als wir einen Kolibri durch die Luft schwirren sehen, hängen wir sofort unser Hummingbird Feeder auf. Schon bald ist er unser gerngesehener Gast.
Direkt am See liegt das Tonto National Monument. Die an steilen Klippen gelegenen Upper und Lower Cliff Dwellings sind nicht nur gut geschützt, sondern bieten auch eine grossartige Aussicht auf das umliegende zerklüftete Gelände der nordöstlichen Sonora-Wüste. Die Felsbehausungen sind 700 Jahre alt und wurden im 13., 14. und frühen 15. Jahrhundert bewohnt. Die Salado lebten am Salt River und errichteten schliesslich diese Klippenwohnungen mit Blick auf den Fluss, heute der Roosevelt Lake. Beide Standorte wurden in grossen, natürlich entstandenen Höhlen errichtet. Dadurch sind sie vor Witterungseinflüssen geschützt. Sie sind nach Osten ausgerichtet, um frühmorgens Sonne und nachmittags Schatten zu bekommen. Stolz informiert uns die Rangerin vor Ort über Details der Bauweise der schon damals zweistöckigen Gebäude. Als Marcel etwas unsensibel erwähnt, das zur gleichen Zeit in Paris die Notre Dame eröffnet wurde, wendet sie sich rasch anderen Besuchern zu.
Eigentlich wäre unser Weg nach Phoenix der historische Apache Trail, der als einer der Schönsten in Arizona beschrieben wird. Bereits die Postkutschen fuhren hier durch die Superstition Mountains. Der Name Apache Trail geht auf die Apache-Indianer zurück, die diesen Pfad ursprünglich nutzten. Leider ist ein 11 km langer Abschnitt nach einem Waldbrand und einer Überschwemmung seit vier Jahren gesperrt. Der Staat Arizona bemüht sich noch immer, die Mittel für die Behebung des Problems aufzutreiben. Für uns heisst das, statt 37 km durch die Superstition Mountains nach Tortilla Flats, 163 km aussen herum.
So kommen wir dafür an Globe vorbei, dessen Altstadt eine schöne Western Atmosphäre haben soll. Wir finden nichts dergleichen, sind wohl wieder einmal tüchtig auf Werbung hereingefallen. Dafür erheben sich rundherum riesige Abräumhalden von Tagebauminen. Neben der Strasse stehen alte Fördertürme in der Landschaft. Globe und das nahe Miami sind seit mehr als einem Jahrhundert wichtige Zentren des Kupferbergbaus. Bald gähnen in der Ferne tiefe Löcher, in denen noch immer das wertvolle Erz abgebaut wird. Kurvenreich geht es durch die Pinal Mountains, einmal mehr Top of the World – warum auch immer es hier so heisst – dann hinunter in die weite Ebene, in der Phoenix liegt.
Jetzt aber nichts wie los zum südwestlichen Anfang des Apache Trail. Durch über 100 Kurven führt die Strasse nach Tortilla Flats, tief in den Superstition Mountains in der Sonora-Wüste von Arizona. Plötzlich fahren wir in einer Wild West Kulisse. Felsnasen erheben sich steil aus den steinigen Hügeln. Riesige Saguaro-Kakteen mit ihren typischen Fingern stehen überall. Es würde uns nicht verwundern, wenn nach der nächste Kurve Indianer am Horizont auftauchen.
Tortilla Flats ist ein lustiges Überbleibsel des alten Westens. Nur ein Block lang ist die einzige authentische Postkutschenhaltestelle entlang des Apache Trail, die das 20. Jahrhundert überdauert hat. Die Siedlung verfügt über einen Saloon mit „echten“ Sattel-Barhockern und Wänden, die mit Geld und Visitenkarten von Besuchern aus aller Welt bedeckt sind. Ein Postamt, ein Motel, Gemischtwarenladen, Restaurant und ein Schulhaus mit einem Raum, alles andere ist verschwunden.
Wir verzichten auf das Bier im Saloon und fahren noch ein Stück weiter auf dem Apache Trail zu einem herrlichen, ruhigen Plätzchen mitten in diesem Wilden Westen. Ob es so ganz ungefährlich ist hier draussen? Der Legende nach entdeckten Jacob Waltz – der den Spitznamen „der Holländer“ trug (obwohl er eigentlich Deutscher war) – und sein Partner Jacob Weiser im 19. Jahrhundert eine Goldmine, die einst einer wohlhabenden mexikanischen Familie gehörte. Kurz nachdem das Paar seine Goldschätze in den umliegenden Bergen versteckt hatte, starb Weiser auf mysteriöse Weise. Ob durch Apachen oder einen gierigen Waltz, niemand ist sicher. Auf seinem Sterbebett beschrieb Waltz seiner Hausmeisterin den Ort seines versteckten Goldes, die trotz aller Bemühungen nie in der Lage war, „die Goldmine des verlorenen Holländers“ zu finden. Seitdem haben Tausende erfolglos versucht, das Gold zu finden, einige sind ärmer als zuvor zurückgeblieben und andere sind auf der Suche nach dem Schatz gestorben. Jeder Versuch trägt weiter zur Legende bei.
So viel Gold und Wild West schreien nach mehr. Deshalb biegen ab in die Goldfield Ghost Town. In den 1890er Jahren verfügte Goldfield über drei Saloons, eine Pension, einen Gemischtwarenladen, eine Schmiede, eine Brauerei, einen Fleischmarkt und ein Schulhaus. Gerade als es so aussah, als würde die Stadt richtig wachsen, versagte die Ader, der Erzgehalt sank und die Stadt starb einen langsamen, qualvollen Tod.
Heute besuchen wieder Reisende aus aller Welt diese Goldgräberstadt am historischen Apache Trail. Die grosse internationale Beliebtheit rechtfertigt den separaten Briefkasten für Airmail am Eingang. Eine dieselbetriebene Dampflock zieht ihre Wagen auf der einzigen Schmalspurbahn Arizonas. In der Bank darf geschossen werden. Das Bordell lädt Gäste jeden Alters zu einem Rundgang ein. Das Gefängnis und der Galgen daneben haben heute gottseidank geschlossen. In fast allen der auf alt getrimmten Häuser können Dollars in Souvenirs getaucht werden. Der Saloon ist noch geschlossen, so geniessen wir die beste Cinamon Roll der Stadt in der einzigen Bäckerei. Aber das Ganze ist liebevoll zusammengestellt.
Das Four Corner States Wickenburg Bluegrass Festival kehrt vom 10. bis 12. November 2023 zum 44. Mal zurück! Wir haben rechtzeitig davon erfahren, es liegt in ungefähr auf unserer Route und die Zeit passt auch, also nichts wie hin. Am Freitagnachmittag beginnt das Festival mit der offiziellen Rede, dem obligatorischen «Pray of the Nation» und natürlich der Nationalhymne. Dann eröffnet die Gruppe «Ten Dollar Wedding» musikalisch. Sie wechseln sich das ganze Wochenende ab mit «North of Lonesome» und «MohaviSoul». Zwischen dem mitreissenden Bluegrass der Bands betreten jeweils talentierte Musikanten die Bühne, um sich in den Kategorien Gesang, Banjo, Geige, Mandoline und natürlich Fidel zu messen.
Übernachten können wir im Gelände neben der Everett Bowman Rodeo Arena, in der das Festival stattfindet. Kaum haben wir uns eingerichtet, schwirrt ein Annakolibri an. Bald darauf hängt der Hummingbird Feeder, den er sofort in Beschlag nimmt und vehement gegen Artgenossen verteidigt. Auch gutes Zureden nützt da nichts. Marcel nennt ihn Molly, da er etwas mollig wirkt, wenn er wachsam auf dem Ast neben seiner «Blume» sitzt. Als wir vor unserem Aufbruch den Feeder abhängen wollen, meldet Molly seine Besitzansprüche klar an, indem er uns nahe um den Kopf schwirrt. Also basteln wir ihm aus einer leeren Flasche seine eigene Blume, die er behalten darf.
Maya-Pyramiden aus Glas, blendend weisse Kuppeln und tonnengewölbte Kammern direkt aus dem alten Babylon. Im Inneren eine Bonsai-Welt: ein Regenwald mit einem 25 Fuss hohen Wasserfall, eine grasbewachsene Savanne, eine Wüste, Süss- und Salzwasserfeuchtgebiete mit Mangrovenbäumen und ein Korallenriff in einem 8 m tiefen und 45 m langen Ozean. Das ist die Forschungsanlage Biosphere 2 nördlich von Tucson, erbaut als ein von der Aussenwelt unabhängiges, sich selbst erhaltendes Ökosystem. Das Experiment sollte beweisen, dass in einem eigenständigen, geschlossenen ökologischen System Leben langfristig möglich ist. Die diesbezügliche Verwirklichung von Langzeitreisen im Weltraum oder Weltraumkolonien waren als Fernziel ebenfalls Gegenstand des Experiments.
Am 26. September 1991 begann das Experiment. Acht Teilnehmer lebten bis zum 26. September 1993 genau 2 Jahre und 20 Minuten in dem Glasgebäude. Als Versuch, eine ausgewogene und sich selbst tragende Nachbildung der Ökosysteme der Erde zu schaffen, war Biosphere 2 ein kläglicher (und teurer) Fehlschlag. Zahlreiche Probleme plagten die Besatzung fast von Beginn an. Am bemerkenswertesten waren ein mysteriöser Sauerstoffverlust und ein weit verbreitetes Aussterben der 3’800 verschiedenen eingebrachten Tier- und Pflanzen- und Insektenarten. Und natürlich kam es unvermeidlich zu Streitigkeiten zwischen der Crew, aber auch zwischen denen, die das Projekt von aussen leiteten.
Gleichwohl ergaben sich aus diesem „Scheitern“ Erkenntnisse, welche für zukünftige Entwicklungen und Erprobungen künstlicher Lebensräume wertvoll sein dürften. Bereits die Erkenntnis, dass es nicht ohne weiteres möglich ist, ausserhalb der Erde einen für Menschen nutzbaren Lebensraum zu schaffen, wird als wichtiges Ergebnis des Projektes angesehen.
In Biosphere 2 wird noch immer ökologische Forschung betrieben. Aber die Träume von Biosphären auf dem Mars sind verschwunden. Stattdessen führen Wissenschaftler Experimente durch, um enger gefasste, gezieltere Fragen zu beantworten, beispielsweise wie sich hohe Kohlendioxidwerte auf Korallenriffe auswirken. Bei unserem Durchgang durch die Räumlichkeiten mit aufschlussreichen audiovisuellen Erklärungen staunen wir über den Ehrgeiz des ursprünglichen Projekts. Staunen lassen aber auch die Erkenntnisse der aktuellen Forschungen, die in diesem Land keinerlei Umdenken auszulösen scheinen.
Wir müssen unser Navigation System etwas überreden, dass es uns bei der Fahrt durch Tucson an der Davis-Monthan Air Force Base vorbeiführt. Obwohl zur Zeit, aus Personalmangel bei der US Air Force, keine Führungen möglich sind, erhaschen wir von der East Escalante Road und der East Irvington Road ein paar interessante Blicke auf den weltweit grössten Flugzeugfriedhof dieser Art. „The Boneyard“, wie er inoffiziell genannt wird, ist als 309. AMARG Aerospace Maintenance and Regeneration Group bekannt (militärisch für einen wirklich coolen Schrottplatz für die Luftfahrt) und ist die letzte Ruhestätte von mehr als 3’000 Flugzeugen der US-Luftwaffe, der US-Armee, der Küstenwache, der Marine, des Marine Corps und der NASA. Die Flugzeuge sind mit militärischer Präzision in Reihen aufgereiht und so eng aneinander gestapelt, dass ihre Flügel so aussehen, als würden sie sich an den Händen halten. Die Sonora-Wüste von Arizona bietet den perfekten Standort, da das trockene Klima die Korrosion verringert und der harte Boden nicht gepflastert werden muss. (Google Maps Koordinaten 32.1565623, -110.8270898).
Seit der Eröffnung im Jahr 1997 besteht die Vision des ASARCO Mineral Discovery Center & Mine Tours darin, Besucher über die entscheidende Bedeutung des Kupferbergbaus für unsere Zivilisation aufzuklären und den Bergbau in Arizona zu erhalten.
«Kupfer ist die Quelle unserer modernen Gesellschaft. Es ist ein Primärmetall, das in den Krankenhäusern, in denen wir geboren wurden, für den Strom in unseren Häusern, für die Werkzeuge, mit denen wir unsere Lebensmittel anbauen, und für die Transportmittel, die unser nächstes Abenteuer vorantreiben, verwendet wird» lautet die Hauptbotschaft. Und noch eine interessante Tatsache wird vermittelt: Kupfer kommt auch natürlicherweise in uns vor, hilft bei der Bildung roter Blutkörperchen und hält das Immunsystem gesund.
Ein Rundgang durch die Ausstellungen des Besucherzentrums führt uns durch den Kupferumwandlungsprozess. Dann werden wir zur Minenführung gefahren und können einen tiefen Blick in das grosse Loch werfen. Die aktuelle Grube des Mission Complex, ein Tagebau, 4 km lang, 2,4 Meilen breit, 365 m tief. Wie Spielzeugautos kriechen die riesigen Laster durch die Mine, beladen mit 235 Tonnen Kupfererz. Daraus können etwa 2 Tonnen reines Kupfer gewonnen werden. Noch in der Mine wird das Erz in winzige Partikel zerkleinert, kleiner als 0,1 mm. Diese Partikel können dann durch sogenannte Schaumflotation abgetrennt werden, um Gesteinsreste zu entfernen. Das so gewonnene Konzentrat mit einen Kupfergehalt von etwa 25% wird in ein anderes Werk in Mexiko transportiert, wo im elektrolytischen Verfahren reines Kupfer hergestellt wird.
Im Titan Missile Museum in der Nähe von Tucson, Arizona, reisen Besucher durch die Zeit und stehen an der Front des Kalten Krieges. Diese erhaltene Titan-II-Raketenstation, offiziell bekannt als Komplex 571-7, ist alles, was von den 54 Titan-II-Raketenstationen übriggeblieben ist, die von 1963 bis 1987 in den Vereinigten Staaten in Alarmbereitschaft waren. Satte 18 Silos lagen in der Umgebung von Tucson, was die Stadt zu einem Hauptziel für die Sowjetunion machte. (Vermutlich stand das damals nicht in den Tourismusbroschüren!) Dieses einzigartige Museum bietet Besuchern einen seltenen Blick auf die Technologie, die die Vereinigten Staaten zur Abschreckung eines Atomkrieges einsetzten. Was einst einer der geheimsten Orte Amerikas war, ist heute ein nationales historisches Wahrzeichen und erfüllt seine neue Mission, die Geschichte des Kalten Krieges für Millionen von Besuchern aus der ganzen Welt lebendig zu machen. Die geführte Tour umfasst den Startkontrollraum mit einem simulierten Start und geht dann weiter durch den 200 Fuss langen Tunnel, um die Titan-II-Rakete aus der Nähe zu betrachten.
Wie so oft in Amerika kommt man in Orte, die man irgendwo von irgendwo bereits zu kennen glaubte. So erreichen wir bereits heute Patagonien, das wir erst im Süden Argentiniens erwartet haben. Eine der Besonderheiten in diesem Patagonien ist das Paton Center for Hummingbirds der Tucson Audubon Society. Die bescheidenen Ursprünge des Zentrums reichen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück, als Marion und Wally Paton in die kleine Wüstenstadt Patagonien zogen. Sie waren selbst Vogelliebhaber und haben rund um ihr Haus Futterhäuschen aufgestellt, die zu Anziehungspunkten für ansässige Vögel und Zugvögel wurden. Die Hauptattraktion war und ist der Violet-crowned Hummingbird, ein seltener Bewohner der USA, der Vogelbeobachtern in der Gegend auffiel. Auf der Strasse standen Menschen Schlange und schauten durch den Zaun. Und so stellten die Patons, anstatt die Zuschauer wegzuleiten, ein Schild mit der Aufschrift „Vogelbeobachter sind willkommen“ auf und öffneten ihren Garten für die Öffentlichkeit. Schon bald wurde das Zuhause der Patons zu einem internationalen Vogelbeobachtungsziel. Heute erfreuen auch wir uns in ihrem Garten an den vielen Kolibris. Sogar der Veilchen gescheitelte Kolibri gibt uns die Ehre.
Wein aus der Wüste? Klar, die Klima- und Bodenbedingungen hier in den südlichen Hochwüsten Arizonas sind eigentlich vergleichbar mit Weinregionen in Kalifornien und Argentinien. Aber bisher haben wir praktisch nur Kakteen und dürre Büsche gesehen. Tatsächlich sind Willcox und Sonoita die produktivsten Weinregionen Arizonas. Auf ihren ausgedehnten Tal-Ackerflächen werden fast drei Viertel der Trauben des Staates produziert, aus denen die preisgekrönten Rebsorten Sauvignon Blanc, Cabernet Sauvignon, Malbec und Merlot hergestellt werden. In der Twisted Union Winery in Elgin lassen wir uns bei einen Wine Tasting von der Qualität von Arizonas Weinen überzeugen. Da wir hier auch gleich übernachten dürfen, darf es auch ein Glas mehr sein, das wir trotz kalter Abendluft zum Apero auf dem Patio vor dem Rebberg geniessen.
Wir nehmen die Montezuma Canyon Road weiter nach Osten. Die gut unterhaltene Naturstrasse schlängelt sich durch eine baumreiche Landschaft mit Laubbäumen, Pinien-Kiefern und Wacholder. Kurz sehen wir in der Nähe ein paar Maultierhirsche, aber es reicht nicht, die Kamera zu zücken. Dann steigt die Strasse an auf den 2’001 m hohen Montezuma Pass. Von oben offeriert sich uns ein hervorragendes Panorama auf das weitläufige San Rafael Valley im Westen und das San Pedro River Valley weiter östlich. Im Süden trennt eine dunkle Linie schnurgerade die Ebene, der Grenzzaum der USA. Aber von hier oben ist der Blick frei, weit hinein nach Mexiko, dessen Grenze nur gerade 2 km entfernt liegt. Und noch etwas gibt es von hier oben zu sehen: Manzanitas und andere Bäume sowie Yuccas und drängen sich am Strassenrand, während diese in engen Serpentinen vom Montezuma Pass herunterführt.
Los ging es in Bisbee als beim Bergbau in den Mule Mountains Silber, Gold und ein hochwertiger Bisbee Blue-Türkis gefördert wurde. Das bekannteste Material war jedoch hochwertiges Kupfer, das dazu beitrug, den Anforderungen der Produktion im Ersten Weltkrieg gerecht zu werden. So schnell es hier florierte, ging die Aktivität zurück, als der Bergbau nachliess. Als die Mine 1975 geschlossen wurde, blieb ein riesiges Loch vor der Stadt. Der verlassene Lavender Pit erstreckt sich über 1,2 km2, ist 290 m tief und ist das Ergebnis der Entfernung von 351 Millionen Tonnen Material. Seit der Einstellung des Bergbaus hat sich die Stadt Bisbee als Künstlergemeinde und historisches Touristenziel neu erfunden. Während dieser Neuerfindung wurde die Lavendelgrube zu einem Touristenziel mit Aussichtsplattformen am Rand.
Ganz früh wollten wir heute aufstehen, noch vor Sonnenaufgang. Leider hat der Wecker keinen Ton von sich gegeben. So wird es etwas später. Aber noch sind einige Kraniche da. Von der aufgehenden Sonne beleuchtet schwingen sie sich in die Höhe und ziehen zu ihren Fressgebieten. Herrlich!
Wir sind in der Whitewater Draw Wildlife Area, im Südosten Arizonas. Von Oktober bis Mitte März überwintern jedes Jahr mehr als 30’000 Kanadakraniche in diesem Feuchtgebiet. Die nahegelegenen Ackerflächen im Cochise County bieten reichlich Nahrung. Die weite offene Fläche ist genau die Art von Lebensraum, den die Kraniche zum Schlafen bevorzugen, wo die scheuen und vorsichtigen Vögel sicher sein können, dass sich Raubtiere nirgendwo verstecken können. Einige kommen aus den nördlichen Rocky Mountains und einige haben die weite Reise aus Sibirien hinter sich.
Die beste Zeit, um die Kraniche zu beobachten ist, wenn sie zur morgendlichen Nahrungssuche aufbrechen, also kurz vor Sonnenaufgang bis etwa eine Stunde danach. Zwischen 10 und 12 Uhr kehren sie von der morgendlichen Nahrungssuche zurück. Aus verschiedenen Richtungen kommen sie an. In Keilformation ausgerichtet oder ungeordnet in Schwärmen. Die hunderte von Kranichen kreisen trompetend über uns und lassen uns staunen. Kreisend kommen sie gegen den Boden. Beine nach unten, abbremsen, Platz suchen und zwischen den anderen landen. Kunstvoll. Diesen Vögeln beim Einfliegen und Landen zuzusehen, ist ein faszinierender Anblick und ein bisschen so, als würde man Flugzeugen beim Landen auf dem Flughafen zusehen. Einige sind eher bei den Fallschirmspringern in die Lehre gegangen. Im vermeintlich freien Fall kommen sie herunter und landen trotzdem elegant. Den Rest des Tages verbringen sie im und um das seichte Wasser, wo wir uns an ihrem Tanz erfreuen.
Dann, während der Dämmerung geht das Schauspiel noch einmal los. Das unverwechselbare Tröten wird noch einmal stärker, weitere Gruppen kommen von weiter entfernten Fressplätzen zurück. Von links, von rechts von überall fliegen sie ein. Und ihre Silhouetten zeichnen kontrastreich am leuchtenden Abendhimmel ab.
Wir bleiben drei Tage und können uns kaum sattsehen an dem Spektakel. Vermutlich wird es leider das letzte Mal gewesen sein, dass wir unsere Glücks- und Wappenvögel in Nordamerika beobachten können. Sie werden aber weiterhin als Rocky’s Dekor mit uns reisen.
So friedlich es bei unseren Vögeln war, ist die nächste Stadt nicht. Tombstone lässt uns deutlich erkennen, dass wir immer noch mitten im Wilden Westen sind. In der East Allen Street lehnen die Cowboys mit der Hand am Colt an den Pfosten der Verandas. Und das hat Tradition. Wer den Film Tombstone gesehen hat, kennt die Geschichte:
Am kalten Nachmittag des 26. Oktober 1881 schritten Marschall Virgil Earp, seine Brüdern Wyatt und Morgan und ihr Freund Doc Holliday in langen schwarzen Mänteln zielstrebig die staubige Fremont Street entlang. Um die Ecke, auf einem schmalen freien Grundstück hinter dem OK Corral, warteten sechs Cowboys der Clanton-McLaury-Bande. In schicksalhaften dreissig Sekunden wurden dreissig Schüsse aus nächster Nähe abgefeuert. Bei der Schiesserei starben Billy Clanton und die McLaury-Brüder. Virgil, Morgan und Doc wurden verletzt. Heute wird dieses Ereignis als ein legendäres Beispiel von Selbstjustiz betrachtet, bei dem Gesetzeshüter, die den Frieden wahren, Viehdieben gegenüberstanden, die verdächtigt wurden, eine Postkutsche in Wells Fargo ausgeraubt zu haben.
Heute werden die bösen Buben täglich um 11, 1 und 3 Uhr von Wyatt Earp und Doc Holliday auf dem OK Corral erschossen, Ausnahme Thanksgiving und Weihnachtstag. 10 Dollar Eintritt für jeden Schaulustigen kostet der Spass und am Schluss sammeln die wiederauferstandenen Gangster eine freiwillige Kollekte.
Die echten Gangster haben ihre letzte Ruhestätte auf dem historischen Boothill Graveyard gefunden. Die Geschichten hinter den Gräbern ihrer Mitbewohner des Friedhofs sind nicht minder interessant: Ermordet, erschossen, ertrunken, vergiftet. Vom Rad eines Wagens überrollt, im Kindsbett an einer Überdosis Chloroform gestorben. Georg Johnson schlussendlich wurde unschuldig gehängt, weil er ein gestohlenes Pferd gekauft hatte. Ein gefährliches Pflaster dieses Tombstone, schnell weg.
Eine andere Welt erwartet uns wieder bei der Mission San Xavier del Bac. Malerisch liegt die alte spanische Missionskirche am Stadtrand von Tucson. Sie wird auch als Weisse Taube der Wüste bezeichnet. Die Kirche wurde 1783 mit Hilfe von den Indianern erbaut. Nachdem der letzte Franziskaner Mönch die Mission 1837 in Richtung Spanien verlassen hatte, begannen die ungenutzten Gebäude zu verfallen. Nachdem das Gebiet von den USA gekauft worden war, wurde die Kirche 1859 wieder eröffnet und instandgesetzt.
Nachdem die Kirche in den 1980er Jahren mit normalen Baumaterialien ausgebessert worden war, sammelte sich Wasser in den Wänden und zerstörte teilweise die Wandbemalung. Daraufhin wurde in einem aufwendigen Prozess das neue Material entfernt und die Kirche über mehrere Jahre von internationalen Spezialisten mit den historisch überlieferten Originalmaterialien restauriert. Neu war bei diesem Prozess auch, dass indianische Künstler eingearbeitet wurden, die nach Abzug der Experten deren Arbeit übernahmen und nun ihrerseits das Fachwissen bei ähnlichen Restaurierungen verbreiten.
Faul döst der Puma in der Sonne, Maultierhirsche blicken verstohlen hinter Büschen hervor, zwei niedliche Elfeneulen putzen sich gegenseitig liebevoll das Gefieder. Die Mission des Arizona-Sonora Desert Museum besteht darin, «Menschen zu einem Leben im Einklang mit der Natur zu inspirieren, in dem Liebe, Wertschätzung und Verständnis für die Sonora-Wüste gefördert werden». Na ja, wenn das nur richtig verstanden wird, denn auch hier geht es erst einmal um Action und Fun. Obwohl es als „Museum“ bezeichnet wird, ähnelt die Einrichtung, die Tiere, einen botanischen Garten, ein Aquarium und eine Kunstgalerie beherbergt, eher einem Zoo.
Mit weitem Blick über das Tal gehen wir durch Kakteen bis zum Platz, wo die Raubvogel Freiflugschau stattfindet. Zwei Raben beginnen die Vorführung spielen über unseren Köpfen mit dem Wind. Es macht ihnen sichtlich Spass. Dann zeigt sich stolz ein wunderschöner Caracara. Dieser falkenartige Vogel kommt vorwiegend in Zentral- und Südamerika vor und ist hier sehr selten. Vier Harris Hawks führen gemeinsam ihre Flugkünste vor. Wüstenbussarde sind die einzige Greifvogelart, die in Gruppen jagen. Die grossen Vögel fliegen haarscharf über unsere Köpfe, so dass wir beinahe die Federn spüren können. Jetzt wissen wir, warum man keine Kameras nach oben halten soll.
Zurück auf dem Wüstenpfad begegnen wir Javelinas (sehen fast aus wie Schweine, sind aber Pekaris), die unter der Brücke nach etwas Essbarem suchen. Die Kojoten und die Erdmännchen lassen sich in ihren Gehegen nicht blicken. Überhaupt sind wenige von den angekündigten 230 Tierarten der Wüste zu sehen. Kriechtiere, Skorpione und Spinnen, welche eher unter Steinen leben, sind raffiniert hinter Glasfensterchen in den künstlichen Felsen zu sehen, inklusive einem Gila Monster – Krustenechse. Beim näheren Betrachten stellen wir jedoch fest, dass alles nur Plastikattrappen sind. Dafür sind die Rochen im Touchpool echt. Naja, Wüstentiere im sehr weiten Sinn! Da aber die Sonora Wüste ans Meer grenzt, können sie dazugezählt werden.
Sehr schön angelegt ist der Kaktusgarten. Ein faszinierender Anblick, all die Sukkulenten in den verschiedensten Formen und Farben. Wo die wohl in der Wüste zu finden sind?
In der ersten Voliere zeigt sich neben einigen Tauben noch ein Gambel’s Quail mit seinem lustigen Federhelm. Die Hummingbirds in der Nächsten sind nicht einfach zu erkennen. Nach längerem Hinschauen sehen wir einen goldbraun schimmernden Rufous Kolibri, der sein Territorium vor Besuchern und Anna Kolibris verteidigt. Und dann noch einmal ein Highlight zu Schluss, die Reptilien. Rattlesnakes in unterschiedlichen Farbtönungen, andere mehr oder weniger giftige Schlangen, Skorpione, Spinnen gilt es in den Terrarien zu finden. Und da ist auch ein echtes, lebendiges Gila Monster. In der freien Wildbahn möchten wir allen nur mit entsprechendem Abstand begegnen.
Zurück auf dem Parkplatz sehen wir, dass sich Rocky die Wartezeit mit einem italienischen Bruder verkürzt hat. Gerne hätten wir mit den Besitzern ein paar Erfahrungen ausgetauscht, zumal die anscheinend schon die ganze Panamericana gefahren sind.
Von Tuscon nach Westen bis nach Yuma an die Grenze zu Kalifornien wären es 380 km Autobahn. Quer durch die Sonora Wüste, so weit wie einmal quer durch die ganze Schweiz, von St. Margrethen nach Genf. Etwa in der Mitte der Strecke führt uns ein kleiner Umweg von nur gerade 125 km zum Organ Pipe Cactus National Monument an der mexikanischen Grenze.
Dieser Kaktuswald ist ein unberührtes Naturschutzgebiet und wurde aufgrund seiner Artenvielfalt von der UNESCO als internationales Biosphärenreservat ausgezeichnet. Trotz Thanksgiving Wochenende ist der Park ruhig und wenig besucht. Es ist ein toller Ort, um wilde Bestände der vielen Kakteen zu entdecken, die wir im Desert Museum in Tucson kennengelernt haben. Tatsächlich finden wir bei unseren Erkundigungen in der Wüste viele verschiedene der stachligen Dinger, insbesondere Säulen- , Orgelpfeifen- und Cholla Kakteen. Klapperschlangen haben glücklicherweise nicht Saison und neben ein paar Eidechsen sind keine Reptilien zu sehen. Dafür sind viele bekannte Vögel da, wie Cactus Wrens, Gila Woodpeckers und die lustigen Gambel ‘s Quails, die gleich neben Rocky im Busch übernachten. Zu unserer grossen Freunde landen fünf Harris’s Hawks auf einem nahen Saguara Kaktus um bald darauf gemeinsam wieder in die Lüfte zu schwingen. Fast jeden Morgen besucht uns ein Häschen und in der Ruhe der Nächte hören wir die Kojoten heulen. Willkommen in der Grünen Wüste!
Wir sind wieder auf der Autobahn in Richtung Yuma. Immer noch ist links und rechts nicht als Wüste. Doch dann sind da plötzlich Grasfelder!? Lange, schmale, grüne Streifen mit Bewässerungsgräben. Woher das Wasser kommt? Keine Ahnung, aber hier wird Heu produziert und Gras geerntet. Die dazugehörigen Kühe sehen wir ein paar Kilometer weiter auf dem riesigen Milchbauernhof. Hunderte, eher tausende Kühe stehen in Pferchen mit Schattendächern zusammen. Auf diesem Boden wächst kein einziger Grashalm.
Etwa 15 km vor Yuma machten wir Halt bei Martha’s Gardens Date Farm. Schon bei der Einfahrt auf die Dattelfarm wird man von Palmen mit tiefhängenden Rispen voll der süssen Früchte begrüsst. Im der Plantage wachsen rund 8.000 Palmen, die mit organischem Hühnermist gedüngt werden. Im Sommer verbrauchen sie 800 Liter Wasser pro Tag. Geerntet wird von Hand, mit Hilfe einer Hebebühne, die sich um den Stamm der Palme schliesst.
Wir können der Versuchung nicht widerstehen und nehmen eine Schachtel Medjool-Datteln mit. Schließlich sind sie gut für unsere Gesundheit; Vollgepackt mit Antioxidantien: Eine kleine Handvoll Datteln enthält so viel Kalium wie eine Banane.
Mit mehr als 4.000 Sonnenstunden pro Jahr beansprucht die kleine Stadt Yuma am südwestlichen Rand von Arizona nahe der Grenze zwischen Kalifornien und Mexiko den Titel der sonnigsten Stadt der Erde. Yuma ist die bekennende Welthauptstadt des Wintergemüses. Hier wächst im Winter alles, nicht nur die üppige Ernte an Obst und Gemüse. Sogar die Bevölkerung wächst um 50 %, da die tiefen Temperaturen der nördlicheren US-Bundesstaaten und Kanada viele dazu drängt, sich einer kostenlosen Wärmequelle mit zusätzlichem Vitamin D zuzuwenden.